Das "Korean Girl" über asiatische Religion
Von Schamanen, Schweineköpfen und dem
Religionskrieg zwischen Mutter und Sohn
Von Sun-Mi Jung für R2-Horizont
Foto: © da_hara / photocase.com
Die konfuzianische Ahnenverehrung besteht unter anderem aus Opfergaben.Ich habe mit dem koreanischen Christentum und der koreanischen Form des Buddhismus kaum Bekanntschaft gemacht. Denn meine Eltern sind schließlich „religionslos“, was in diesem Fall gleichzusetzen ist mit „Konfuzianer“. Der Konfuzianismus ist eine Denkweise und Lebensphilosophie, die sich in einer ganz bestimmten Gesellschaftsordnung ausdrückt und zur kulturellen und nationalen Identität eigentlich aller Koreaner und damit auch meiner Eltern gehört. Und diese Gesellschaftsordnung sieht so aus:
Es gibt fünf elementare menschliche Beziehungen, die im Konfuzianismus eine bedeutende, wenn nicht gar alles entscheidende Rolle spielen und die Gemeinschaft strukturieren und zusammenhalten sollen. Vater und Sohn, Herrscher und Untertan, Ehemann und Ehefrau, älterer Bruder und jüngerer Bruder, Freund und Freund. Allerdings muss man dazu sagen, dass zumindest die ersten vier Beziehungen nicht auf Gleichberechtigung basieren…
Bei den ersten vier Paaren zieht der jeweils jüngere, schwächere, bzw. weiblichere Part den Kürzeren. Ich vermute, dass das ein Grund ist, warum meine Eltern den Konfuzianismus so gut finden. Die eigenen Kinder sind in diesem System nämlich zu Loyalität und Pietät verpflichtet. Man kann auch sagen: zu unbedingtem Gehorsam. Wäre ich ein koreanischer Vater mit koreanischen Kindern und dazu noch Herrscher eines Landes, ich würde auch den Konfuzianismus zur Staatsreligion machen und alle meine Nachkommen zu opulenten Ahnenverehrungen verdonnern! Ich muss übrigens unbedingt herausfinden, ob meine Eltern auch schon VOR ihrer Elternschaft Konfuzianer waren.
Weiterer Bestandteil des Konfuzianismus ist der hohe Stellenwert von Bildung und Gelehrtheit. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, lesen Sie doch den „Korean Girl“-Artikel „Ich hasse Mathe!“.
Kindliche Pietät und verstorbene Ahnen
Leider bringt der Konfuzianismus aber auch großes Leid über meine armen Eltern. Denn die Sache mit der kindlichen Pietät, die in der Zeremonie der Ahnenverehrung seinen rituellen Höhepunkt findet, kann natürlich nur fortgesetzt werden, wenn es leibliche Nachkommen gibt. Und da treiben mein Bruder und ich unsere Eltern gerade zur Verzweiflung. Mit (weit) über dreißig Jahren weigern wir „Kinder“ uns standhaft, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Das Leben ist schließlich auch ohne Kinder schön. Meine Eltern betrachten ihre Enkelkinderlosigkeit jedoch als ein großes familiäres Unglück. Vielleicht beten sie auch zu ihren verstorbenen Ahnen, dass sich bald etwas ändern möge und die Kinder endlich zur Vernunft kommen. Zuzutrauen wäre es ihnen jedenfalls.
Bemerkenswert finde ich übrigens, dass meine Mutter meiner Meinung nach eine viel strengere Konfuzianerin ist als mein Vater. Dabei hat sich eine konfuzianische Frau in ihrem Leben drei Männern unterzuordnen: erst ihrem Vater, dann ihrem Ehemann und zum Schluss ihrem ältesten Sohn. Aber diesen Teil scheint meine Mutter irgendwie auszublenden. Meine Mutter ordnet sich nämlich NIEMANDEM unter. Schon gar nicht einem Mann…
Trotzdem finde ich den Konfuzianismus nicht nur sehr spannend, sondern auch irgendwie toll. Denn den Tugenden Menschlichkeit, Gerechtigkeit, ethisches Verhalten, Weisheit und Güte wird ebenfalls eine große Bedeutung zugeschrieben. Überhaupt basiert die konfuzianische Ordnung auf Harmonie und dem Wohl des Gemeinwesens. Alles Ideale, die sehr menschenfreundlich und rational sind.
Neben Ostern feiert meine Familie übrigens auch Weihnachten. Es gibt abwechselnd mal koreanisches, mal westliches Essen an Heilig Abend. Früher hatten wir auch regelmäßig einen Christbaum, der wurde aber im Laufe der Jahre still und heimlich abgeschafft. Meine Mutter murmelte irgendwas von „haben hier eh keine Kinder“, oder so. Und Geschenke für uns alle, die gibt es natürlich auch. Nur den Besuch der Christmette haben wir nie in unser deutsch-koreanisches Leben integriert. Die Sache mit den sakralen Gesängen, dem Weihrauch und den vielen brennenden Kerzen, dem gemeinschaftlichem Beten, dem leidenden Mann am Kreuz, dem Abendmahl, bei dem der „Leib Christi“ gegessen wird und den prunkvollen Gewändern ist meinen Eltern viel zu unheimlich und lässt sie sofort an abergläubische Riten denken. Dann doch lieber zum verstorbenen Urgroßvater beten. Den hat man zumindest persönlich gekannt!
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