Fastenzeit: diese schwierigen 40 Tage vor Ostern
Turbo-Entschlacken oder "drauf pfeifen"?
Von Peter Joerdell für R2-Horizont
Foto: Jung
Brutzel, brutzel: "Angrillen" während der Fastenzeit mag verpönt sein, aber lecker.
Rhein-Ruhr. Ich kann es ja verstehen, wenn Menschen vor Ostern ihr Leben zu einem persönlichen Jakobsweg machen. Und gerade bei Menschen, die, wie besagte Freundin, das Ganze ohne religiösen Überbau tun, schlicht aus Gründen der inneren Einkehr und Entschlackung, habe ich hohen Respekt vor dem Anliegen „Fastenzeit“. Aber einerseits muss man auch Maß halten – und darf andererseits nicht seine Mitmenschen damit terrorisieren. Ich kann mich noch gut an die Familie einer Mitschülerin erinnern, in der es damals während der Fastenzeit nur an einem Tag in der Woche Fleisch, und freitags sogar aus Prinzip und aus Verbundenheit mit den armen Menschen in der Dritten Welt nur Reis gab… Den schulischen Leistungen dieser Mitschülerin und ihrer Geschwister war das übrigens nicht immer zuträglich, wie man jedes Jahr dank permanenter Unterzuckerung vor Ostern feststellen konnte.
Oder aber an die Familie eines Kommilitonen, in der man einerseits ins Kreuzverhör genommen wurde, warum man denn nicht faste, und andererseits genötigt wurde, sich am Tischgebet zu beteiligen. Mit fiel leider nur das Bart Simpson-Gebet ein: „Herr, wir danken Dir besessen für dieses verdammt gute Fressen.“ Ja, Sie haben richtig getippt, lieber R2-Leser. Da hat in dem Moment leider keiner gelacht.
Bitte ohne den moralischen Bob Geldof-Zeigefinger
Vergeistigung und Verzicht – prinzipiell nichts Schlechtes in unserer an materieller Überversorgung erstickenden Welt. Aber muss das immer direkt mit dem erhobenen, moralischen Bob Geldof-Zeigefinger und dem mahnenden Blick auf die Dritte Welt passieren? Kann es nicht auch sinnvoll sein, an anderen Ecken und Enden zu fasten? Mal offline sein, mal nicht die Lieblingsserie auf DVD schauen, mal zu Fuß gehen, statt das Auto zu nehmen? Es gibt viele Möglichkeiten. Und wenn ich der Typ wäre, der fastet, würde ich versuchen, eine alternative Variante zu finden (ohne Kaffee und Kuchen – geht bei mir nicht, das ist der Raketen-Treibstoff meines Arbeitsalltags).
Man muss schließlich auch ein Typ zum Fasten sein – und wenn man stark beruflich eingespannt ist, hat das Fasten bezogen auf Lebensmittel sicherlich wenig Sinn. Denn wenn Fasten etwas mit innerer Einkehr zu tun hat, bringt es sicherlich nichts, sich durch die 40 Tage vor Ostern noch mehr zu quälen, indem man dem eigenen, ohnehin vom Stress ramponierten Nervenkostüm auch noch verbliebene kleine Freuden wegnimmt.
Von Peter Joerdell für R2-Horizont
Foto: MMchen / photocase.com
Und auf trockenen Parties kann man sich ja feucht-fröhliche Gedanken machen...
Fasten soll kein Dogma sein: "Ich hab' mir gedacht - pfeif' drauf"
Aber am wichtigsten ist es sicherlich, das Fasten nicht zum Dogma für sich und für andere zu erheben. So wie besagte Freundin, die noch am selben Abend, nach dem Supermarkt-Trip voller Stirnrunzeln auf einmal mit einem Bier in der Hand neben mir stand, als wir endlich in der Wochenend-Location, einem ausgebauten Bauernhof, wo eine Feier von Freunden stattfand, angekommen waren.
„Ach guck’ an“, meinte ich, vom Lagerfeuer vor der Scheune aufblickend, „was ist denn jetzt mit der Fastenzeit los, das ist doch kein Alkoholfreies?“ „Ach“, meinte sie da, „ich hab’ mir gedacht, pfeif’ drauf – wir haben uns eine ganze Weile nicht gesehen und ich will jetzt in Ruhe ein Bier mit Dir trinken.“ Woraufhin ich gern mit ihr anstieß – auf die Fastenzeit natürlich!
Wie steht es um Ihre Erfahrungen mit der Fastenzeit?
Fasten Sie selbst oder leiden Sie unter dem Fastenverhalten von Menschen in Ihrer Nähe, die vom Turbo-Entschlacken unleidlich werden? Teilen Sie Ihre Gedanken mit uns in der Kommentarsektion!
Kommentare
ich sehe schon, wir fasten nach einer ähnlichen Methode... Und Bier ist total entschlackend - unbelassen. (c;
Gruß und ein schönes Fasten-Wochenende-
Peter Joerdell
(der sich gerade fragt, ob es auch "Atkins-Low Carb-Fasten" gibt)
Grüße
Dirk
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