Das "Korean Girl" über asiatische Religion
Von Schamanen, Schweineköpfen und dem
Religionskrieg zwischen Mutter und Sohn
Von Sun-Mi Jung für R2-Horizont
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Die Christen feiern Ostern mit bunten Eiern. Die Konfuzianer zelebrieren Ahnenverehrungen.
Dortmund. Bald ist ja schon wieder Ostern. Dann feiern alle Christen die Wiederauferstehung Christi. Alles dreht sich dann um farbige Eier, um Hasen aus Schokolade und lustige Bräuche, wie das Abbrennen von Osterfeuern oder das frühlingshafte Schmücken von Ostersträuchern. Auch bei uns, der koreanischen Familie aus dem Ruhrgebiet, wurden Ostereier bemalt, versteckt, gesucht, gefunden und gegessen. Geschenke gab es für uns Kinder auch. Dabei ist keines unserer Familienmitglieder gläubiger Christ… Aber wer lange genug im „Ausland“ und damit fern der „Heimat“ lebt, feiert irgendwann die Feste wie sie fallen. Irgendwie muss man schließlich die Feiertage rumkriegen.
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Asiatische Religionen und ihre Bau-
werke.
Ungefähr die Hälfte aller in Südkorea lebenden Koreaner gibt an, religionslos zu sein. Die andere bekennt sich zum Buddhismus, bzw. zum Christentum. Meine eigene Verwandtschaft spiegelt diese Statistik nahezu perfekt wieder. Mein ältester Onkel väterlicherseits und seine Familie sind Christen. Die Großeltern väterlicherseits jedoch Buddhisten. Und meine Eltern sind „religionslos“. Das heißt, in Wirklichkeit sind sie Anhänger des koreanischen Konfuzianismus, der aber erstens eher eine Gesellschaftsordnung mit wenig transzendentem Hintergrund und entsprechenden „Wundern“ ist. Und zweitens erst seit 1995 offiziell in Korea als Religion anerkannt ist. Da lebten meine Eltern aber schon längst in Deutschland und hielten sich daher für „religionslos“. Wir haben also mindestens drei Religionen in unserer Familie. Die entsprechenden „Religionskriege“ inklusive.
Missionarisch, lässig oder streng?
So trifft der missionarische Eifer unserer Christen auf die Lässigkeit der Buddhisten und die Strenge der Konfuzianer. Unser christlicher Onkel hat zum Beispiel wenig Verständnis für die konfuzianische Ahnenverehrung, auf der meine Oma - obwohl Buddhistin, aber Buddhisten sind ja sehr tolerant - selbstverständlich besteht. Zwar gibt es im Christentum am 1. November Allerheiligen, aber das Ritual der Konfuzianer sieht dann doch etwas anders aus.
Angebetet und verehrt durch aufwändige Opfergaben und viele Kotaus wird beim Ahnenritual ein Holzschrein, der den Geist des Verstorbenen enthält. Und das sogar mehrfach im Jahr. Ein Verstoß gegen die christlichen zehn Gebote, denn nur Gott und Heilige werden angebetet. Aber doch nicht der verstorbene Urgroßvater! Außerdem wird beim konfuzianischen Ahnenritual mit dem alten koreanischen Volksglauben, dem Schamanismus, geliebäugelt. Dieser glaubt an Geister und die Verbindung zwischen der Welt der Lebenden und der Toten und stellt sogar in Riten Kontakt zu den Verstorbenen her.
Eigentlich total cool! Ich habe so eine Zeremonie schon mal in Korea gesehen. Ein weibliches Medium in Trancezustand, ein Schweinekopf als Opfergabe und lauter tief beeindruckte und leicht eingeschüchterte Zuschauer. Wahnsinn! Aber für einen gläubigen Christen natürlich sündiger Aberglaube, denn zu Himmel und Hölle und den Toten können wir Menschen gar keinen Kontakt aufnehmen. Und auch der dritte Aspekt eines konfuzianischen Ahnenrituals gefällt den Christen überhaupt nicht. Der Geist des Verstorbenen, zu dem seine Nachkommen beten, soll die Lebenden beschützen! Das ist ebenfalls nach christlichem Verständnis unzulässig, schließlich handelt es sich hier lediglich um einen einfachen Normalsterblichen. Und nicht um Gott.
Alles nicht so einfach, denn die Ahnenverehrung, auf die unsere Oma so viel Wert legt, wird in der Regel vom jeweils ältesten männlichen Nachkommen durchgeführt. Also von meinem christlichen Onkel. Dieser ist dann immerhin für die Ehrung der letzten vier Generationen verantwortlich. Wir haben da noch keine abschließende Lösung gefunden, aber ich halte Sie auf dem Laufenden.
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