Ausstellung "zu fünft" – Solinger Güterhallen
Von Trickfilmen und Papierstühlen
Von Peter Joerdell für R2-Bildungsbürger
Fotos: zu fünft
Fünf Mal genau hinsehen lohnt sich - R2inside zeigt die gelungene Nachwuchs-Ausstellung als Bildergalerie.
Solingen. Bereits die Vernissage war gut besucht. Die Einführung in die Ausstellung erfolgte durch Madeline Sagner – Studentin der Kunstgeschichte und ebenfalls ehemalige Humboldt-Schülerin: „Schauen Sie heute Abend fünf Mal genau hin – und sie werden gleich fünf Mal erleben können, warum wir uns für Kunst immer wieder aufs Neue so begeistern können.“ Wichtig ist, dass bei „zu fünft“ das künstlerische Schaffen den musealen Raum verlässt, und sich an Orte des Alltags begibt. Ob Zeichnung, Trickfilm, Plastik oder funktionales Objekt – stets begegnet dem Betrachter bei „zu fünft“ die individuelle, unverwechselbare künstlerische Handschriften eines Individuums.
Fünf Mal wird der Betrachter aufgefordert, sich auf einen gestalterischen Moment und dessen Aussagekraft einzulassen. Fünf Mal zeigen Marina Borchert (Studium der Illustration), Mariana Burdida (Studium der Malerei), Christian Pfitzer (Studium Design), Kira Schmidt und Tim Wieland (ebenfalls Studium Design), was Kunst ausmachen kann. Auf die Hochschulstandorte Hamburg, Köln, Düsseldorf und Wuppertal verteilt, kamen sie gern zurück in ihre Solinger Heimat. Michael Salge, selbst als Künstler im Rheinland bekannt, war am Humboldt ihr Kunstlehrer. „Ich bin froh, dass wir diese Ausstellung zusammenbekommen haben. Sie zeigt, dass auch der Nachwuchs sehr viel leisten kann.“ Und natürlich sei es schön für ihn, dass ehemalige Schüler dem Ruf der Klingenstadt und ihrer alten Schule folgen.
Marina Borchert: auf den Spuren von "Frozen Charly"
Was erwartet den Besucher? Marina Borcherts Serie „wie es ist“ etwa ‚spricht‘ allein durch mit Bleistift angefertigte Zeichnungen. Kantige Figuren bewegen sich auf schwarz/grauem Hintergrund und erzählen eine düstere Geschichte, deren Inspiration das gleichnamige Buch von Simon Beckett lieferte. Borchert stellt die einzelnen Szenen in Verknüpfung zu Eindrücken aus Theater und Tanz dar – die für sich statischen Zeichnungen werden zum bewegten Bild, das sich auch ohne Worte verstehen lässt. Tatsächlich bewegen sich die Illustrationen in dem Film „the forest“, den Borchert aus einzelnen Zeichnungen zusammengestellt hat. Hier zeigt sich die Kraft der Bilder, die jeweils für sich den Anspruch auf eine eigene Geschichte erheben. Vorlage war „Frozen Charly“, eine Badepuppe aus dem 19. Jahrhundert, die im Film ihre Umsetzung als Figur des Erwachsenwerdens findet. Marina Borcherts Werk zeichnet sich aus durch die vielen Kanten und Ecken der schwarzen Striche, das Düstere, das auf noch Verborgenes verweist und faszinierend mystisch erscheint.
Foto: zu fünft
Kira Schmidt entführt in die Welt des
Trickfilms.
Bunt und farbenfroh zeigen sich hingegen die Werke von Kira Schmidt. Hier ist es die die Leuchtkraft Farbe, die den Blick verweilen lässt. Ob Comic, Illustration oder Trickfilm – Schmidt versucht stets, das Element des Humors wirken zu lassen. Skurrile Geschichten und Figuren fügen sich zusammen in illustrativen oder animierten Werken, die zum Lachen geradezu aufrufen wollen. Einen Einblick in die Entstehung eines Trickfilmes gewährt Schmidt anhand eines Knetgummimodells. Einzelne Filmszenen werden in einem intensiven gestalterischen Prozess zuerst modelliert und dann fotografisch fixiert, ehe die eigentliche Montage des Films beginnen kann.
Mariana Burdida: Entführung in eine surreale Wirklichkeit
Auch Mariana Burdida wählt mit ihren ausgestellten Werken den Weg der Farbigkeit: In besonderem Glanz erstrahlen dabei ihre Plastiken, deren Farbe durch die in akribischer Arbeit angebrachten Perlen in besonderer Weise zur Geltung kommen. Jede einzelne Plastik strahlt in ihrer biomorphen, reduzierten Formensprache regelrecht mit den anderen um die Wette. Ebenso lebendig werden Seifenschaum und Wäsche in Marianas Ölgemälden. Die durchsichtigen Seifenblasen geben den Blick frei auf den farbigen Hintergrund, Falten und Schaum scheinen sich miteinander zu bewegen. Der Betrachter wird in eine surreale Wirklichkeit entführt.
Die beiden bei der Ausstellung vertretenen Herren, Christian Pfitzer und Tim Wieland, beschäftigen sich eher mit funktionalen Aspekten – künstlerische Gestaltung trifft hier auf Praktikabilität.
Christian Pfitzer: Verbindung von Natur-Elementen und Gebrauchsfunktion
Pfitzer etwa verbindet Natur-Elemente mit Gebrauchsfunktion. Sein Stuhl aus recyceltem Papier, Holzabfällen und natürlichen Klebstoffen lädt zur kurzen Sitzpause ein. Obwohl vollkommen der Natur entnommen, kommt kein Zweifel an Stabilität und Funktionalität auf. Das Medium Papier – so leicht, fragil und morbide – wird hier zum stützenden Material. Hochinteressant zeigt sich dieser Konflikt am Beispiel des Werkstoffs Papier, der in Pfitzers Arbeit künstlerische Gestaltung und menschliche Bedürfnisse verbindet.
Tim Wieland hingegen treibt Gebrauchsfunktion und technische Umsetzbarkeit um. Die Konzeption und Gestaltung seiner Objekte zeigt darüber hinaus in besonderem Maß den analytischen Aspekt. Es geht also nicht nur um ästhetische Objekte, sondern vor allem und gerade um Gestaltung, die auf der jeweiligen Funktion und Handhabung beruht.
Seine Werke sind technisch sehr durchdacht und überzeugen durch das Zusammenspiel von produktionstechnischem Hintergrund und künstlerischem Ausdruck. Türklinke, Wasserkocher und Audioanlage sind nicht nur einfaches Mittel zum Zweck, sondern formal und konzeptionell bis ins Detail geplant. Das Öffnen der Tür, das morgendliche Vorbereiten des Teewassers oder das Musikhören wird so „trotz“ praktischem Nutzen zum ästhetischen Erlebnis.