R2-Karriereleiter Serie: Studieren in NRW
„Nicht auf Lehramt“ - wie es Geisteswissenschaftlern im R2-Gebiet ergeht
Von Mirja Schmitt für R2-Mein Leben
Foto: © PITER (Lizenz)
Büffeln, büffeln, büffeln - und ohne Aussicht auf einen Job? Geisteswissenschaftler müssen sich etwas einfallen lassen, wenn sie später ihre Brötechen verdienen wollen.
Rhein-Ruhr. „Habe nun, ach, Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie! Durchaus studiert mit heißem Bemüh’n. Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug, als wie zuvor.“ Fast könnte man meinen, in Goethes Faust die klassische Klage eines modernen Geisteswissenschaftlers zu vernehmen. Besonders eines Nicht-Lehramts-Kandidaten. Denn auch wenn Geisteswissenschaften beliebte Studienfächer bieten, fällt dafür später oft der Berufseinstieg als Seiten- oder Quereinsteiger schwerer.
Geisteswissenschaftler, so zahlreich sie auch an den Universitäten sind, haben in Gesprächen oft Probleme. Wenn man die Frage, ob man Lehrer werde, verneint, erntet man oft einen mitleidigen Blick, gefolgt von der besorgten Frage: „Was willst du damit denn später machen?“ In der Regel zuckt man mit den Schultern, hat man das Fach doch in der Regel aus Leidenschaft gewählt und will das Ganze eher auf sich zukommen lassen. Leider folgen dann die üblichen Unkenrufe und Androhungen, man müsse als Taxifahrer oder Pommesbudenangestellter sein Dasein fristen. Das beunruhigt den idealistischen Studierenden der Geisteswissenschaften ja dann doch ein wenig.
Doch warum studiert man eigentlich Geisteswissenschaften, wenn man nicht den Lehrerberuf ergreifen möchte? R2inside hat sich einmal umgehört.
Elisa (25) studiert Germanistik, Anglistik und Amerikanistik an der Uni Wuppertal. „Ich habe mich schon immer für Sprachen interessiert und immer gern und viel gelesen“, erzählt sie uns. „Darüber hinaus verschaffe ich mir ein besseres Welt- und Gesellschaftsverständnis und zwar nicht nur das der Gegenwart“, ergänzt sie. Für sie wäre es interessant, als Dolmetscherin zu arbeiten.
Dominic (28) studiert Geschichte, Philosophie und Latein. Er studiert, wie er sagt, nicht des materiellen Erfolges wegen. „Wenn es darum ginge, hätte ich Wirtschaftswissenschaften studiert“, lacht er. Sein Ziel ist es, wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Fachbereich für Alte Geschichte zu werden.
Carsten (33) ist gelernter Informatikkaufmann und hat vorher als Linux-Administrator gearbeitet und das Abitur im zweiten Bildungsweg nachgeholt, als der IT-Markt übersättigt war. Er studiert Germanistik und Geschichte und liebäugelt mit Latein als drittem Fach. „Aus Interesse“, wie er sagt. Den Rest wolle er auf sich zukommen lassen. „Und möglichst viele neue Sprachen lernen. Im Idealfall kann ich das in der Ausbildung Gelernte noch mit neuen geisteswissenschaftlichen Inhalten beruflich verbinden“, ergänzt er.
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Bessere Hochschulgesetze allein helfen nicht. Wer als Geisteswissenschaftler nicht auf Lehramt studiert, muss spätestens nach dem Uni-Abschluss sehen, wo er bleibt.
Doch wie ist es, wenn man das Studium beendet hat? Gibt es Tipps und Kniffe für den beruflichen Erfolg? Man muss mitunter leider aufs kurze Studium verzichten und das ein oder andere Semester „vergeuden“', um sich im Nebenberuf unentbehrlich zu machen“, erzählt mir Frank (39), der für mehrere Zeitungen und auch für ein Onlinemagazin arbeitet. Erste Kontakte schon während des Studiums zu knüpfen sei sehr wichtig. Man dürfe sich auch nicht davor scheuen, abends oder am Wochenende zu arbeiten. Zudem sei man gerade im journalistischen Bereich oft freiberuflich, was den einen oder anderen abschrecke. „Ich wäre zwar gerne fest angestellt. Aber: Ich übe meinen Traumjob aus.“
Das Berichten über private Leidenschaften gehört zu den Sonnenseiten des Schreibens. Aber gerade, wenn man Berufsanfänger ist, dürfe man sich nicht die Rosinen rauspicken. Der Artikel über den Taubenzüchterverein oder das Lüttringhauser Stadtfest ist obligatorisch für den Berufsanfänger.
Der Archäologe Jörg (35) berichtet ebenfalls von großem Arbeitseinsatz und einem Alltag jenseits des obligatorischen Acht-Stunden-Tags. Ich frage ihn, ob er sich erneut für diesen Beruf entscheiden würde: „Ja. Zwar hat man praktisch kein Geld und man stößt unentwegt auf Schwierigkeiten, aber es macht mir Freude und es ist immer spannend. Dieses Jahr arbeitete ich in Oppenheim und Marburg, nächstes Jahr geht’s nach Palermo und Basel. Gleichzeitig bearbeite ich ein Gräberfeld in Nepal. In welchem Beruf bekommt man schon so viel Abwechslung geboten?“
Das Studium vermittele auch eine gute Allgemeinbildung, berichtet mir Christopher (32), der im PR-Bereich arbeitet. „Wenn man bei einem Kundentermin über Goethe, James Joyces Ulysses oder den amerikanischen Naturalismus unterhalten kann, ist man auf einer anderen Ebene mit dem Gegenüber - und wird ernst genommen.“
Das geisteswissenschaftliche Studium ist also nicht nur ein Gewinn für die eigene Persönlichkeit und für die eigene berufliche Zufriedenheit, sondern auf vielen Ebenen brauchbar.
Haben Sie Geisteswissenschaften studiert?
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