Meine wunderbare, koreanische Großfamilie
Mit 70 Verwandten auf dem Flughafen
Von Sun-Mi Jung für R2-Horizont
Foto: © William Wang - Fotolia.com
Von seiner koreanischen Großfamilie berichtet das "Korean Girl".
Rhein-Ruhr/Seoul. Haben Sie eigentlich den Film „My big fat Greek wedding“ gesehen? Da geht es um eine griechische Großfamilie, die in die USA eingewandert ist, eine griechisch-amerikanische Hochzeit und um den Zusammenprall zweier Kulturen. Sie glauben bestimmt, dass die Darstellung dieser südländisch-chaotischen Großfamilie völlig überzogen ist und erklären sich das mit der ganz eigenen Dramaturgie Hollywoods. Ich hingegen kann aus eigener Erfahrung sagen: Es ist die reine Wahrheit! Großfamilien, vor allem wenn sie aus Kulturen südöstlich von Mitteleuropa stammen, sind so! Ich kann das beurteilen….
Meine koreanische Verwandtschaft ist sehr groß. Es gibt neben Oma und Opa väterlicherseits, die mit ihren über 90 Jahren noch immer mehr oder weniger selbständig auf ihrem Reisbauernhof leben, acht Onkel und Tanten. Diese sind mit acht weiteren Menschen verheiratet und pro Ehepaar gibt es zwei Kinder. Eine Ausnahme bildet der jüngste Onkel mit nur einem Kind. Diese Kinder sind teilweise auch schon verheiratet und haben ebenfalls Kinder. Alles in allem sind wir rund 50 Personen, die zum engsten Familienkreis gehören. So genau weiß ich das jetzt aber auch nicht, ich verliere da schnell den Überblick. Es sind so viele Menschen…
70 Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, Oma und Opa
Dazu kommt aber noch die Familie meiner Mutter. Eltern hat meine Mutter schon lange nicht mehr. Dafür aber zwei Schwestern und einen Bruder, der aber leider auch schon verstorben ist. Auf jeden Fall kommen wir mütterlicherseits mit Mamas Geschwistern, deren Ehepartnern, Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln auf 21 (!) weitere Personen. Ebenfalls engster Familienkreis…
Foto: Jung
Hat 70 enge Verwandte:
Das Korean Girl.
Und so kann ich erklären, warum gerade 70 Menschen am Incheon International Airport um mich herum stehen und mehr oder weniger in Tränen aufgelöst sind, weil meine Eltern, mein Bruder und ich unseren Familienurlaub in Südkorea beenden. Jeder will noch etwas sagen, eines der „deutschen“ Familienmitglieder an sich drücken, ein Geschenk loswerden, ein Foto machen oder alles zusammen. In diesen Momenten habe ich das Gefühl, ein Soldat zu sein und in den Krieg zu ziehen. „Wir fahren ja nur nach Deutschland. Das ist ein zivilisiertes und auch sehr sicheres Land. Auch wenn die Sommer kalt und regnerisch sind“, versuche ich meine Oma zu beruhigen. Bei ihrem letzten und bislang einzigen Deutschlandaufenthalt war ihr nämlich aufgefallen, dass im Ruhrgebiet kaum US-Soldaten stationiert sind. Dass der kalte Krieg überall sonst auf der Welt beendet ist, will sie nicht glauben. Kim Jong Il ist schließlich noch an der Macht.
Familienausflug mit 70 Personen
70 Menschen, die alle auf eine vierköpfige Kleinfamilie focussiert sind, das fällt schon auf. Selbst am Incheon International Airport in Südkorea. Aber wir können noch sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Zum Beispiel, wenn wir uns auf einen unserer „Familienausflüge“ begeben. Um der Hochzeit meines jüngsten Onkels in der südlichen Hafenstadt Pusan beizuwohnen, sind wir alle zusammen mit dem Flugzeug von Seoul nach Pusan geflogen. Die Familie meiner Mutter war natürlich nicht dabei, trotzdem kamen wir auf die stattliche Zahl von rund 50 Personen. Ein Taxi nach dem nächsten hielt vor dem Flughafen an und jedem entstieg eine drei- bis vierköpfige Kleinfamilie, die zu uns gehörte. Alle Menschen, die in der Reihe am ersten Check-In Schalter anstanden, trugen den Familiennamen „Jung“, bzw. waren mit jemandem verheiratet, der diesen Namen führt.
In der Wartezone besetzten wir vier Sitzreihen hintereinander und wer so leichtsinnig war, sich an der Snackbar mit ein wenig Proviant einzudecken, musste entweder aufpassen, dass ihm nichts vom Teller geklaut wurde. Oder einfach 50 Portionen bestellen. Auch im Flugzeug selbst besetzten wir einen Großteil der Sitze. Ich glaube, es waren fast alle… Das war übrigens der lustigste Flug meines Lebens. So muss es sein, wenn man mit einem Privatjet fliegt, wo man alle anderen Passagiere mit Namen kennt.
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Kommentare
in der Tat sind solche Familienfeiern immer ein riessiges Ereignis, aber auch ein wenig stressig...
Ich musste mich auch erst einmal daran gewoehnen, dass so viele Familienmitglie der sich zu bestimmten Anlaessen in einer Wohnung treffen. Da waere ich wieder beim Thema 20 Paar Schuhe im Eingangsbereich ...
Aber irgendwie schaffen es die Tanten (die ja auch fuer die Kueche zustaendig sind) immer wieder, dass genug zum Essen fuer alle da ist, genug Soju und Maggoli auf dem Tisch steht und alle irgendwie satt und zufrieden werden! Und bei koreanischem Essen geht es ja nicht nur um ein Stueck Fleisch, Sosse, Kartoffeln und Salat! Die kleinen Schaelchen mit den vielfaeltigen Beilagen stapeln sich nach dem Essen turmhoch...
2008 bin ich mit meiner Familie in die USA geflogen, um einen Teil unserer Familie (vaeterlicherse its alle seit den 70ger Jahren ausgewandert) nach langer Zeit zu treffen. Zu dem Barbeque sind doch glatt 35 Verwandte gekommen. Onkel, Tanten, Cousins/-inen mit (Ehe-)partner und deren Kinder...was fuer ein Auflauf!
Und doch war es fuer mich ein eigenartig schoenes Gefuehl im Kreis meiner engsten Verwandten zu sein... zumindest fuer einen bestimmten Zeitraum....
LG, Andreas
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