Verzicht: Leben mit reduziertem Besitztum
Minimalismus - wenn weniger "mehr" ist
Von Peter Joerdell für R2-Mein Leben
Foto: © public domain
Schreibstube im Kloster: Für manchen ist Minimalismus auch eine spirituelle Angelegenheit, das Entrümpeln des eigenen Lebens wird so zum Erlebnis von Zen und Klarheit.
Und der Philosophie-Student achtet peinlich genau darauf, nicht wieder in alte Muster zurückzufallen. „Wenn ich etwas kaufen will, mache ich mir sehr genau Gedanken: Brauche ich den Gegenstand oder ,will ich ihn nur haben?’“, so der Minimalist, der seinen neuen Lebensstil jetzt schon fast ein Jahr durchhält. „Und wenn etwas mehr als 20 Euro kostet, kommt es auf eine Liste. Da bleibt es erst einmal drei Wochen, damit man darüber nachdenkt, ob man den Gegenstand wirklich braucht. Das ist eine Methode, die bei Minimalisten sehr beliebt ist.“ Die überwiegende Mehrzahl der Sachen fliege übrigens sang- und klanglos wieder von der Liste, betont Tobi.
Dabei ist bewusste Einfachheit nicht nur eine Lebensphilosophie, die aus der Not heraus, also aus Fragen des Geldbeutels, geboren ist: „Sicher, bei einem Studenten wie mir, da kommt das eine zum anderen. Aber es gibt auch Manager, die sich dem Minimalismus verschreiben. Und denen gegenüber schlägt die Entgegnung ,ja, Du machst das ja nur, weil Du ohnehin wenig Kohle hast’ mal absolut ins Wasser.“
Digitalisierung als Chance für noch mehr Minimalismus
Foto: © William Hook
Vielleicht der Schlüssel zur Lösung: Alle relevanten Daten auf einem Speicherstick..
Digitalisierung erleichtert übrigens den Minimalismus enorm, meint Tobi. „Was ich alles auf meinem Laptop haben kann an Musik, Filmen und Fotos, das brauche ich doch sonst nicht. Ich muss nur für anständige Back-ups meiner Files sorgen, und bin auf der sicheren Seite.“ Lieber eine externe Festplatte als drei volle Billy-Regale. Aber selbst hier greift der Minimalismus bei manchem Anhänger. „Es gibt auch Leute, die alle digitalen Spuren ihres Lebens so gering wie möglich halten, selbst auf dem eigenen Rechner.“
Und vielleicht stimmt es ja auch, was Henry David Thoreau im 19. Jahrhundert schrieb, ein Autor der dank seiner Werke „Walden or Life in the Woods“ und „On self-reliance“ vielen gerade in der US-Minimalisten-Szene als Vordenker der Bewegung gilt: Vielleicht ist weniger manchmal wirklich mehr, und, wie Nietzsche meinte, dass wer mehr besitzt, auch einfach nur mehr von seinem materiellen Besitz besessen wird, als umgekehrt.
Wir verlassen Tobi in seiner nach normalen Maßstäben fast leeren 40 Quadratmeter-Wohnung mit einem aufgeräumten Gefühl im Kopf – und wünschen ihm alles Gute bei seiner Suche nach Erfüllung durch Reduktion. Ob die in den Vereinigten Staaten immer mehr wachsende Minimalismus-Bewegung sich auch in Deutschland als Breitenphänomen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. R2inside wird die Entwicklung jedenfalls in der R2-Region weiter im Auge behalten.
Der vielleicht wichtigste deutsche Minimalismus-Blog - leider aus Berlin, nicht aus der R2-Region:
Mr. Minimalists Homepage: http://mrminimalist.com
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