Hinter der Bühne im Schauspielhaus Bochum
Von Universalblut, Haarspalterei und 30 Männern
Von Sun-Mi Jung für R2-Bildungsbürger
Foto: Jung
Besonders die Arbeit an Perücken ist zeitraubend und aufwändig.
Bochum. Theater kann magischer sein als jeder spektakuläre Kinofilm und jedes Fernsehen sowieso. Das liegt an der ganz besonderen Atmosphäre. Vor allem aber liegt es an den vielen, kreativen Menschen, die vor und hinter den Kulissen jede Vorstellung zu einem individuellen Erlebnis machen.
18 Leute zählt das Maskenteam im Schauspielhaus Bochum. „Wir sind damit die größte Schauspielmaske in Deutschland“, erzählt Georg Herzog, stellvertretender Chefmaskenbildner und mittlerweile seit acht Jahren am Schauspielhaus Bochum. Zusammen mit seinem Team knüpft er 50 bis 60 maßgefertigte Echthaarperücken pro Spielsaison, fertigt falsche Bärte, verändert Nasen, Ohren oder Wangen mit federleichten Einmal-Schaumprothesen, produziert ganze Körperteile und Organe aus Silikon, lässt Kunstblut aus Schläuchen und Beuteln fließen und schminkt natürlich alle Schauspieler vor ihrem Auftritt.
Denn der verantwortliche Regisseur und sein Kostümbildner haben meist ein ganz genaues Bild von ihren Darstellern. Das sollen Georg Herzog und seine Mitarbeiter umsetzen. „Die größten Veränderungen kann man mit den Haaren erzielen“, weiß der Maskenbildner. Daher ist eine Friseurlehre auch in der Regel die Voraussetzung für eine dreijährige Maskenbildner-Lehre am Theater. Mittlerweile gibt es auch staatlich anerkannte Privatschulen, die zu diesem Traumberuf ausbilden.
Perücken als Gedanlage? Ein Kilo europäisches Echthaar ist 5.000 Euro wert
Die Perücken sind also das Herzstück und der ganze Stolz der Maske. Alle Perücken sind Maßarbeiten, angepasst an den individuellen Kopf des Schauspielers. In ein hauchfeines Tüllnetz werden bis zu 20.000 Haare geknüpft. Die Schauspielmaske in Bochum achtet ganz genau darauf, dass die Frisuren möglichst echt aussehen. Es werden Wirbel eingearbeitet und jeder Perückenmacher arbeitet mit verschiedenen Farbtönen, um den natürlichen Look zu erzielen. Das dauert dann 40 bis 60 Stunden pro Perücke. „Das ist richtig meditativ. Man muss sich zwar konzentrieren, kann aber dennoch seinen Gedanken nachhängen.“ Oft bilden sich kleine „Perückenknüpf-Runden“, die tagelang beinander sitzen, schweigend arbeiten und ein Hörbuch genießen. Jede Perücke hat übrigens einen reinen Materialwert von 350 bis 1.500 Euro. Verarbeitet werden meist asiatische Haare, indische Frauen zum Beispiel verkaufen immer noch ihr Haar. Oft als Opfergabe und aus religiösen Gründen. „Eigentlich ist das Haar für eine europäische Perücke zu dick. Europäisches Echthaar ist aber noch viel teurer. Ein Kilo Haar kostet bis 5.000 Euro“, sagt Georg Herzog. Mittlerweile kann die moderne Technik jedoch dicke, asiatische Haare tatsächlich spalten...
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