„Asiadorf Düsseldorf“ feierte 150 deutsch-japanische Beziehung
Zehnter Japan-Tag: Düsseldorf im Ausnahmezustand
Von Alexander Möthe für R2-Horizont
Foto: ogre
Japan für die Kleinsten: Hier wird schon die nächste Generation an den "J-Day" herangeführt.
Düsseldorf. Der Japan-Tag 2011 konnte sich sehen lassen. Das Angebot umfasste bei strahlendem Sonnenschein, aber teils empfindlicher Kälte natürlich weit mehr als diese mittlerweile auch in Deutschland bekannte, aber letztlich popkulturelle Nische des Cosplay. Es herrschte Jubiläumsstimmung: Zum zehnten Mal fand das Event in Düsseldorf statt. Diesmal im Oktober, statt im Mai – angesichts von Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe wurde jedoch aus Rücksichtnahme darauf verzichtet.
Die Landeshauptstadt beherbergt immerhin eine der weltweit größten japanischen Gemeinden außerhalb Nippons, inklusive eines ansehnlichen japanischen Viertels. Zudem stand als besonderer Anlass der 150. Jahrestag deutsch-japanischer Freundschaft als Motto parat – was der Veranstaltung insgesamt eine neue Dimension verlieh.
Ein täuschend echtes Samurai-Heer am Johannes-Rau-Platz
Die Rheinpromenade zogen sich zahlreiche kleine Stände entlang. Auf zwei Bühnen wurde den Zuschauern ein vielfältiges Programm geboten. Die Bandbreite war beachtlich: Während am Johannes-Rau-Platz ein – täuschend echtes – Samurai-Heer ein Feldlager bezog, traten nur wenige Meter weiter Grundschüler bei einem Straßenfußballturnier gegeneinander an. Auch traditionelle Tänze und sogar ein Konzert auf der japanischen Riesentrommel – O-Daiko – standen am Abend auf dem Programm.
Dennoch zirkelte der Großteil des Tages um die japanische Pop- und Subkultur. Angesichts der vielen Fans, die sich als Lieblingsfiguren verkleidet hatten, staunte auch manch Japaner. Egal ob Naruto, One Piece, Bleach, Pokemon oder Final Fantasy – in den aufwendigen Kostümen steckten fast ausschließlich Europäer. Und die wurden wie Attraktionen behandelt. Manche Gruppen konnten keine zehn Meter weitergehen, ohne von irgendeiner Kamera abgelichtet zu werden. Geduldig wurde meist sogar noch posiert.
Neben Cosplayern schoben sich "Gothic Lolitas" den Rhein entlang
Die besten Kostüme wurden am Nachmittag bei einer Preisverleihung prämiert. Gleiches gilt übrigens für die „Gothic Lolitas“, die sich in exotischen und trotz der Temperaturen aufreizenden Outfits neben den Cosplayern den Rhein entlang schoben.
Die bunte Riege reagierte wiederum etwas irritiert, als man ihr am Abend eine kleine, blonde deutsche Sängerin vor die Nase setzte, die ihre Intonationen verschiedener Anime-Melodien zum besten gab. Schwerpunkt? Sailor Moon, was für Stirnrunzeln sorgte.
Und während die Stände deutsch-japanischer Buchhandlungen oder des Goethe-Instituts weitgehend verwaist mit Einbruch der Dunkelheit buchstäblich die Zelte abbrachen, erfreuten sich zwei Angebote größter Beliebtheit: Stände mit Kitsch, Comic-Devotionalien und Plüschviechern sowie Fressbuden.
Egal ob Nudeln, Sushi, japanische Pizza, Schweinebraten oder Bratwurst – für einzelne Portionen standen manche Menschen fast 20 Minuten an. Was die Stände letztlich für Umsätze gemacht haben, kann nur spekuliert werden. Immerhin kostete eine kleine Schale gebratener Nudeln – im Sushi-Tray – stolze sechs Euro.
Schade eigentlich, dass so nur wenig Interesse an der alten und durchaus faszinierenden japanischen Tradition gezeigt wurde. Selbst die abendliche Tanzvorführung verkam da dank der ziemlich seichten Moderation zum karnevalesken Mitmach-Event, bei dem der „beste Tänzer“ am Ende ein paar Fähnchen gewinnen konnte – der Tanz bestand für die Polonaise auf der Bühne aus winken und schunkeln. Die Vortänzer hatten gute Laune versprüht, im Publikum gingen immer wieder japanische Gäste mit. Dank des Finales war dieses Aufkeimen von guter Stimmung jedoch nur von kurzer Dauer.
Der J-Day zeigte auch das gespaltene Verhältnis Japans zu sich selbst
Der lange Nachmittag zeigt, trotz gelungener Organisation, auch das gespaltene Verhältnis Japans zu sich selbst. Wohl nirgendwo sonst auf der Welt stehen sehr strenge traditionelle Werte und Verhaltensregeln so im Kontrast zu technischem Fortschritt, popkulturellen Extremen und übergreifender Sublimierung. Ritualisierte Höflichkeit, disziplinierte Kunst und Körperbewusstsein gehören genauso zur Kultur wie blutige Gewaltdarstellung, Lolita-Fantasien oder strikte Zensur. Unterm Strich heißt das: Wer zum Oktoberfest fährt, weiß, was ihn erwartet und erwartet genau das. Die Besucher, die zum Japan-Tag kommen, erwarten alle etwas anderes.
Foto: Public Domain
Der gemeinsame Nenner am Ende ist immer das große Feuerwerk. Dann strömen eine Million Menschen in die Düsseldorfer Altstadt.
Einen gemeinsamen Nenner gab es dann aber doch: das abschließende Feuerwerk. Seit zehn Jahren lockt das bis über eine Million Menschen in die Altstadt und auch dieses Mal hielt es wieder, was es versprach. Kunstvoll, gleißend, farbenprächtig zog auch das Jubiläumsfeuerwerk die Zuschauer in seinen Bann. Selbst die hartgesottensten Skeptiker konnten sich dem ein oder anderen „Aaaah“ und „Ooooh“ nicht erwehren. Und als das Rheinufer in Applaus und Rauchschwaden versunken war, fand auch der Japantag 2011 sein Ende. Wie seine Vorgänger ein gelungener erster Schritt zum Verständnis der komplexen fernöstlichen Kultur – aber eben auch nicht mehr.
Mehr Infos im Web: