Asiatischer Bildungsdrill: Ja oder Nein?
"Ich hasse Mathe!"
Von Sun-Mi Jung für R2-Horizont
Video: YouTube
Westliche Erziehung contra östliche Erziehung. Ein nicht ganz ernstgemeinte Gegenüberstellung.
Der einzige Bereich, in welchem meine Eltern zumindest kleine Erfolge ihrer Kinder feiern konnten, war der Sport. Mit vier Jahren schickte mich meine Mutter zum Ballettunterricht. Ich wusste gar nicht, was ich da tat, aber es machte mir sehr viel Spaß. Und ich war gut! Später, in der Pubertät, wechselte ich zu den „modernen“ Tanzstilen, wie Jazzdance, Steptanz und Hip Hop. Noch später kompensierte meine „1“ im Sportabitur meine „5“ im Matheabitur und sorgte dafür, dass ich gefahrlos die Hochschulreife erlangte, um anschließend besagtes Mathe freies Studium beginnen zu können. Mein Bruder hat hingegen jede Menge Sportarten ausprobiert: Tennis (wir befanden uns in den „Boris-Becker-Steffi-Graf-80er Jahren“), Taekwondo (muss jeder koreanische Junge trainieren), Tischtennis (wird schließlich weltweit von Asiaten dominiert), Basketball (da sind die tendenziell kurz geratenen Asiaten jetzt nicht so top). Aber zu einer (semi-)professionellen Sportkarriere hat es dann doch nicht bei uns beiden gereicht. Wir müssen jetzt jeden Tag sehr hart als Journalistin und Informatiker arbeiten, um unseren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dafür müssen wir nicht ständig auf unser Gewicht achten (Profi-Ballettänzerin!) und auch nicht dauernd um die Welt reisen, um gegen übermenschliche Klone aus einem sibirischen Sport-Leistungszentrum anzutreten (Spitzentennis!).
Rückblickend war der ganze „Drill“ meiner Eltern gar nicht so schlimm. Erstens, hat es uns in der Tat nicht wirklich geschadet. Zweitens, waren meine Eltern weit von dem entfernt, was in Ostasien und offensichtlich auch bei Amy Chuan alltägliche Realität zu sein scheint. Und drittens hat meine Mutter nie unsere Kuscheltiere als Geiseln genommen…
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Kommentare
Und zu dem von Ihnen angesprochenen 'sozialen Aspekt' - in Südkorea werden im Straßenverkehr drei mal so viele Menschen getötet wie z.B. in Deutschland und Frankreich. Weil der Andere (Mensch) nichts zählt, wird bei Rot über die Ampeln gefahren, überall auf Gehwegen geparkt, in Schulzonen zu schnell gefahren... (Balli-Balli? Nach 25 Jahren Industrialisier ung wäre es an der Zeit, wenn die Südkoreaner sich wieder 'zivilisieren').
zitiere Andreas Kim:
ich fand den Beitrag auch sehr interessant, vor allem weil mir das in den Anfangsjahren meiner Schulausbildung in gewisserweise auch so begegnet ist. Nach dem 5.ten Klavierlehrer haben meine Eltern dann aber kapituliert und ich mich dahingehend durchgesetzt :-). Schulisch wurde natuerlich auch Druck ausgeuebt, aber ich glaube, dass fuer meine Eltern die Integration im Vordergrund stand, solange ich normal in der Schule weiterkam.
Aber der Ehrgeiz koreanischer Eltern ist und bleibt ungebrochen, was die Schulbildung ihrer Kinder betrifft.
Soviel ich aus Erzaehlungen ueber Korea und die Geschichte Koreas erfahren habe, ruehrt dieser Bildungswahn aus der damaligen Zeit Koreas herbei. Da es wenig Resourcen in Korea gibt, war die einzige "Ware", der Mensch und sein Einsatz. Daher auch die vielen Bergleute und Krankenschweste rn, die in den 60er Jahren nach Deutschland geschickt wurden.
Man versuchte dann den Bildungsrueckst and so schnell wie moeglich aufzuholen und investierte fortan hauptsaechlich in die Bildung der Kinder, damit sie es spaeter einmal besser haben sollten. Dieser Gedanke ist bis heute verankert in den Gedanken koreanischer Eltern. Die Pisastudien belegen zwar den Erfolg dieser Strategie, jedoch wird aus meiner Sicht der soziale Aspekt dadurch gaenzlich vernachlaessigt . Ein Student, der bis zum Ende seines Studiums bei seinen Eltern lebt, soll sich dann ploetzlich mit seinem Job komplett selbst versorgen koennen, was er ja gar nicht lernen konnte (da er nur am Lernen war).
Ein weiterer Kritikpunkt waere die Gleichmachung oder Uniformitaet in der koreanischen Bildung. Jedes Kind muss ein bestimmtes Basis-Programm absolvieren und dazu noch die Nebenfaecher wie Klavier, Geige oder Taekwondo. Da wird nicht viel nach Interessen oder Neigungen gefragt, sondern es gehoert zum Standardreperto ire eines "guten" Koreaners.
Ich glaube aber trotzdem, dass die juengeren Eltern schon seit Jahren gerne eine andere Bildungsform sehen wuerden. Jedoch sitzt an der Spitze dieser Ausschuesse wohl die "alte Garde", die noch das Sagen hat und somit eine Reform verhindert.
Koreanische Eltern sehen Bildung als einziges Mittel zum Ueberleben in der Gesellschaft (und als Eintrittskarte zu den Chaebol Unternehmen, die immer noch als Arbeitgeber eine Art Statussymbol darstellen), wobei ich mich frage, ob nicht die Zufriedenheit und das Gluecklichsein dabei auf der Strecke bleibt.
Ich hoffe nur das meine Kinder auch jeck werden :-)
Viele Grüße
Der Rheinländer
zitiere Guenther Schmidt:
danke für den sehr netten Artikel.
Ich denke, das der asiatische "Drill" und Bildungshunger sich nur schwer in unserer Kultur einbringen läßt. Zu groß die Zerstreuung, die Abwechslung, das Aktzeptieren des aktuellen Lebensstandards hier in unseren Breiten.
Als Alternative sehe ich es, wenn Kinder mit der Tätigkeit, die Sie für sich gefunden haben, glücklich sind. Ich habe da allerdings meine Töchter als Beispiel. Nach Abi und Studium, ohne Geige und Klavier, dafür als Gardetänzerinne n in einem Karnevalsverein , sind beide glücklich und zufrieden. Wir haben uns nicht eingemischt und hatten einfach riesiges Glück. Unvorstellbar in Asien. Einfach nur Glück haben und den Interessen freien Lauf lassen?
Aber wenn jedes Millionen Studenten in einem Land von der Schule gehen, wird es schwer und die Konkurrenz ist groß.
liebe Grüße
Günther
travelmanblog.com
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