Karl Theodor zu Guttenberg: Verwaister Doktortitel sucht neue Heimat
Endstation Museum Plagiarius?
Von Peter Joerdell für R2-Horizont
Foto: Uwe Flöck
Und abends wird den Plagiaten heimgeleuchtet...
Berlin/Solingen. Deutsche Politiker haben vielfach inzwischen eine Halbwertzeit wie ein DSDS-Gewinner. Nur hat Dieter Bohlen den „Hit“ nirgendwo abgeschrieben – bei dem weiß ja jeder, dass er ohnehin seit „Brother Louie Louie Louie“ immer nur die gleichen vier fünf Akkorde und Melodiebögen benutzt – aber immerhin erfolgreich und nur bei sich selbst geklaut.
Foto: Peter Weis
Dr. strg. c. Karl-Theodor zu Guttenberg
Ehrlich, Politisieren liegt mir nicht. Wirklich nicht. Aber, wer wie ich im Schweiße seines Angesichts seine Magisterarbeit selbst geschrieben hat und aus einer ganz normalen Mittelschicht-Familie stammt (so was gibt es ja heute kaum noch, das waren früher mal die "normalen Menschen"), der kann sich dieser Tage kaum des Stammtisch-Geredes enthalten.
Also - zu Guttenberg. Sie erinnern sich - er war Verteidigungsminister und ist kürzlich zurückgetreten. Muss eine regelrechte Volkskrankheit "da hinten weit" in Berlin sein.
Karl-Theodor zu Guttenberg ist jedenfalls politische Geschichte. Vorerst. Die Katze hat bekanntlich neun Leben und, wie man in meiner Heimat, dem Bergischen Land so gern sagt: „Der Teufel scheißt immer auf den dicksten Haufen.“ Um sein Auskommen wird sich „KTG“ auch ohne Ministeramt und Bundestagsmandat wohl ohnehin keine Sorgen machen müssen. Wie Ludovico Settembrini in Thomas Manns Zauberberg so schön sagt (um Sie jetzt nicht auf einer derben Bergischen Redensart sitzen zu lassen): „Jene Väter dort lassen die ihrigen nicht darben.“ Die Romanfigur Settembrini meinte zwar die Jesuiten. Aber der Satz lässt sich auch auf so manch andere verfilzte Struktur anwenden.
Doch zurück zu KTG. Ich will hier nichts schreiben über helle Anzüge, über Gelfrisuren wie aus American Psycho, über für echte Rock-Fans befremdlich anmutende Auftritte bei AC/DC-Konzerten oder aber über Bombardements in Kunduz („War toll, Oberst Klein…“ – „Oh, BÖSER Oberst Klein!“), über tödliche Kreuzfahrten mit der Gorch Fock, über Afghanistan-Touren samt Gemahlin und Johannes B. Kerner und, und, und… Fest steht jedenfalls: Eigentlich hat der Ärger doch nicht erst mit seiner Doktorarbeit angefangen. Erinnern Sie sich noch an den Tag, als zu Guttenberg erstmalig auf der großen politischen Bühne stand? Da war doch diese Sache mit seinem Vornamen… Richtig! Ein schelmischer User hatte „KTG’s“ Wikipedia-Eintrag manipuliert und ihm zu seinen unzähligen anderen Vornamen einen Wilhelm untergeschoben. Alle übrigen Journalisten der Republik schrieben das ab – und schon war das erste Mal klar, dass der Mann wohl doch was von einem falschen Fuffziger hatte. Wäre das Leben ein Roman oder ein anderes Stück literarischer Fiktion, hätte man an dieser Stelle von „Foreshadowing“, von Vorausdeutung gesprochen. Aber lassen wir das.
Foto: Carla Froitzheim
Blick ins Innere des Museums Plagiarius: Platz für eine Doktorarbeit wäre locker noch vorhanden.
Viel entscheidender ist: Was aber passiert jetzt mit zu Guttenbergs Doktortitel? Der ist doch das eigentliche Opfer der ganzen Geschichte! Muss der jetzt unter einer Brücke schlafen? Wird die Urkunde verbrannt? Die Uni Bayreuth hat ja schon damit angefangen, YouTube-Videos, auf denen „Gutti“ zu sehen war, vom Netz zu nehmen. Wären wir im alten Ägypten, würde wohl die Hieroglyphe, die in irgendeinem demotischen Dialekt seinen Namen wiedergibt, aus sämtlichen Baudenkmälern getilgt und zu Guttenbergs Antlitz bereits überall kaputtgemeißelt worden.
R2 fordert: Plagiatspreis, aber bitte an den Ghostwriter!
Was wird also aus dem verwaisten Doktortitel? R2inside hat einen schönen Vorschlag: In Solingen, mitten im R2-Gebiet, liegt das Museum Plagiarius. Dort werden die dreistesten Produktfälschungen vor- und ausgestellt, außerdem wird jedes Jahr ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, eben der Plagiarius, als Auszeichnung für besonders dreiste Plagiate vergeben. Ich will jetzt hier nicht andeuten, dass zu Guttenberg diesen Preis verdient. Den müsste wohl eher sein Ghostwriter bekommen, der eigentlich für seine Dissertation verantwortlich zeichnet. Vielleicht aber kann ja die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg dort eine neue Heimat finden? Verdient hätte sie es ob der Dimension des Abschreibens sicher alle Male. Denn wie Jürgen Trittin (Bündnis 90 / Die Grünen) dieser Tage im Bundestag so treffend bemerkte: „Ein Teil der Ghostwriter-Frage ist doch schon geklärt. Mindestens 20 Prozent dieser Arbeit hat der parlamentarische Dienst geschrieben…“
Vielleicht nimmt sich ja tatsächlich das Museum Plagiarius der Doktorarbeit des über seine eigene Popularität gestrauchelten Freiherrn an. Damit wäre ihm eine schwere Last in jedem Fall schon einmal genommen. Und für KTG selbst, da findet sich auch noch was: Vielleicht sogar eine Filmkarriere. Irgendwann muss doch mal der Baron von Münchhausen neu verfilmt werden. Und zu Guttenberg muss man zwei Dinge lassen: Er ist ein echter Baron und beim Ritt auf der Kanonenkugel hat er sich eigentlich bisher ganz gut bewährt…
Kommentare
Danke für das Lob!
Da weiß man wieder, warum man den Job ursprünglich mal machen wollte.
Auch wenn das eigentliche Lob natürlich den Kollegen gelten muss, die ursprünglich investigativ an der Sache gearbeitet haben.
Herzliche Grüße,
Peter Joerdell (der gern ein Störenfried ist)
Weniger humorvoll zeigte sich zum Thema Guttenberg der CSU-Politiker Dr. Thomas Goppel, dessen langer und ermüdender Rede ich kürzlich auf einer kleinen Veranstaltung ich zuhören durfte/musste.
Ihm war es anscheinend völlig unverständlich, warum sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hatte, nachzuprüfen, ob in der Doktorarbeit des guten Karl-Theodor bzw. seiner Ghostwriter nicht irgendwo abgeschriebene Passagen ohne Fußnote/Quellenangabe zu finden wären.
Und Journalismus wollte Herr Dr. Goppel auch nicht als das ansehen, was er meiner Meinung nach ist – ein Instrument der Aufklärung und freien Meinungsäußerun g im Sinne der politischen Bildung des Bürgers und somit des Schutzes der Demokratie. Nein, Journalisten sind für ihn Störenfriede, die die politische Ordnung, so wie sie ein CSU-Politiker wohl versteht, durcheinander bringen.
Umso mehr freue ich mich über kritische und gern auch mal leicht spöttische Artikel wie den obigen.
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