Aus dem Tagebuch eines begeisterten Roleplay Girls
Abschied vom Ruhrgebiet
Von Gloria Manderfeld für R2-Blogger
Foto: © Anke Sundermeier
Tschüß Ruhrgebiet. Das Roleplay Girl Gloria Manderfeld zieht in den Süden. Und hat ihrem Ruhrgebiet einen wundervollen Abschiedsbrief geschrieben.
Gelsenkirchen. Das Roleplay Girl Gloria Manderfeld zieht weg. Und zwar aus dem wunderschönen R2-Gebiet nach Süddeutschland. Zehn Jahre lang hat sie im Ruhrgebiet gelebt. Jetzt zieht sie weiter. Aber nicht, ohne ihrem geliebten Ruhrgebiet einen liebevollen Abschiedsbrief zu schreiben.
Zehn Jahre Ruhrgebiet
Lieber Ruhrpott,
es ist schon eine Weile her, dass wir uns kennengelernt haben. Seitdem ist bei mir viel geschehen. Und ich hatte nie die rechte Zeit, Dir zu schreiben, also hole ich es heute nach. Mein letzter Umzugskarton ist ausgeladen, die alte Wohnung an den Vermieter übergeben. Ich fürchte, das war's erstmal mit uns beiden. Immerhin hattest Du die letzten zehn Jahre eine ganze Menge von mir.
Der erste Kontakt mit Dir hat mich eher erschreckt. Als Kind vom Land war ich so viel Grau, so viele dicht aneinander stehende Häuser und vor allem die Menschenmengen überhaupt nicht gewohnt. Ich brauchte eine Weile, um mit Dir warm zu werden – genauer gesagt, ein paar Jahre. Doch jetzt nehme ich eine ganze Menge mit, was ich wahrscheinlich nur bei Dir lernen und auf diese Weise erfahren konnte.
Zum Beispiel, dass durchaus jemand "Boah, wat siehste heute Scheiße aus!“, zu mir sagen und es überhaupt nicht böse meinen kann. In meiner schwäbischen Heimat wäre das eine verschärfte Kriegserklärung, der ein ernsthafter Abbruch der diplomatischen Beziehungen folgen würde. Aber im Pott folgt dann meist die Frage: „Wat issn bei Dir los?“, und zeigt, dass die erste Aussage eher besorgt, denn beleidigend gemeint war.
Im Pott sind die meisten Menschen sehr ehrlich, sehr direkt und gerade dadurch auch sehr offen anderen gegenüber. Die sind schon goldrichtig, Deine Einwohner. Hier haben mir völlig Fremde einfach mal so bereitwillig geholfen, oder auch mal angepackt, wenn ich mit meinen dicken Wäschetüten vom SB-Salon per Bus nach Hause fahren wollte. Hier habe ich Zivilcourage und Miteinander gesehen, was in den gutbürgerlichen Städchen im Süden eher unüblich ist. Dort bleiben die Leute gern für sich.
Auch die einheimische Ernährung war für mich zunächst ungewohnt. Wenn man mit Spätzle, einem guten Braten und Fleischküchle aufwächst, wirkt die Bezeichnung "Mantateller" eher irritierend, denn lecker. Auch "Pommes Schranke" stellte mich vor das Problem, aus dem Namen nicht wirklich ableiten zu können, in welcher Form ich meine Pommes frites bekommen würde. Aber nach diesen ersten Anlaufschwierigkeiten wurde ich dank der heimischen Currywurst sehr schnell Pott-assimiliert.
Hier gibbet Currywurst - extra, extra scharf
So sehr, dass mich mein damaliger Freund mit Vergnügen in eine von Truckern konsultierte Imbissbude geschleppt hat, um mir dort eine "extra extra scharfe" Currywurst zu bestellen. Wenn ein schüchternes Landmädel die kernige Verkäuferin angrinst und die höllenscharfe Wurst anstandslos vertilgt, gucken eben auch beinharte Truckfahrer überrascht. Vor allem, wenn vor ihnen nur die Normalversion steht. Wie sollten sie auch meine ungarischen Wurzeln ahnen? Scharf ist schließlich erst dann, wenn Opa weint. Und mein Opa hat beim Gulasch nach Familienrezept nie geweint, auch wenn alle anderen am Esstisch schon kurz vor der inneren Schärfeexplosion standen.
Das Sprachproblem war für mich zu Anfang recht unangenehm. Fürs Studium hatte ich mir schon meine ursprüngliche, hohenlohische Mundart abgewöhnt, die man am Studienort ohnehin nicht verstanden hätte. Nun im Pott allerdings auf ein Idiom zu prallen, das "wat" und "dat" als Hauptbegriffe und so schöne Konstrukte wie "weisse", "siesse" und "meinsse" benutzt, schmerzte dann doch ein wenig. Inzwischen bin ich erstaunt, wenn ich derlei nicht mehr höre – weisse, die tun woanners auch nua komisch sprechn! Gerade, wenn die Nachbarn zu den Ureinwohnern gehören und regelmäßig ihren unmotivierten Nachwuchs von der Straße ins Haus rufen, lernt man viel über den Ruhrpott-Sprachgebrauch. Auch darüber, wie man seine eigenen Kinder nie nennen will und wird. "SCHUSTIN, kommse sofot rein, sons' gibbet aufn Aasch!" Ruhrpott-Mütter setzen sich schon verbal sehr gut durch.
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Kommentare
Und die Kohle werd' ich auf jeden Fall mitnehmen - ohne macht einfach keinen Spaß! :)
@ Katja: Ich habe immer das Gefühl, dass Leute, die den Pott nicht kennen, auch einfach nicht nachvollziehen können, was einen daran halten kann. Man muss es eben erlebt haben ;) Und klar kenne ich Unna, war ich auch schon paarmal zu Besuch. Also echt ... wer kennt denn Unna nicht! ;)
Nein, im Ernst: Ich bin selbst im November 2012 aus dem Pott nach Niedersachsen gezogen und kann gut nachvollziehen, wie's Dir geht. Der Pott ist was besonderes und ich hatte die Ehre, zuerst neben Dortmund aufzuwachsen (in Unna, falls Dir das was sagt) und habe dann die letzten 8 Jahre fast in der Dortmunder Innenstadt (nichtmal 10 Minuten zu Fuß) gewohnt.
Ich finde Deinen Artikel toll!!
Hömma, datt iss nen echt gelungener Text.
Ich tue alles wiedererkennen, watt unser Pott doch zu bieten hat, wonnich.
Ich tue Dir alles Gute wünschen und datt Du Dich in Deiner neuen Heimat gut einleben tust.
Wenne wieder nach dem Pott kommst, weisse: Hier iss ein Teil Deiner Heimat.
Für den Fußballverein tuste nix können :-)
Herzlichen Gruß von nem Dortmunder Jung!
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