Vorhängeschlösser werden zu "Liebesschlössern" an der Hohenzollernbrücke
Kölner wollen die Liebe anketten
Von Peter Joerdell für R2-Mein Leben
Foto: MAT
Geht der Trend zum Zweitschloss? Und was macht man, wenn man es sich anders überlegt?
Köln. Über 300 "Liebesschlösser" hängen inzwischen am Sicherheitsgitter der Hohenzollernbrücke, das den Fußweg von den Bahngleisen trennt. Meist sind auf ihnen Vornamen oder Initialen eingraviert oder mit Permanentmarker aufgemalt, manchmal steht auch ein Datum darauf. Paare, die sich ewige Liebe geschworen haben, haben sie dort angebracht, und dann den Schlüssel in den Rhein geworfen. Wollen sie damit die Liebe festketten? Wer weiß. Schon Erich Kästner wusste schließlich in einem seiner Gedichte zu berichten, dass einem die Liebe abhanden kommen kann, wie manchem ein Stock oder Hut.
Trotzdem liegen am Grund des Rheins schon viele winzige Schlüssel, vielleicht ja neben dem Schatz der Nibelungen, denn die Strömung muss sie schon mit fortgetragen haben.
Eigentlich kommen die Liebesschlösser wohl aus Italien ("Lucchetti dell'Amore"). Dort hängen Jungverliebte sie seit dem 19. Jahrhundert an Brücken, um symbolisch die ewige Liebe zu besiegeln. Die genaue Herkunft des Brauches ist unklar, es könnte auch sein, dass Absolventen der Sanitätsakademie San Giorgio in Florenz die Urheber sind. Am Ende ihrer Ausbildung befestigten sie ihre Spindschlösser an der Brückenlaterne auf der Milvischen Brücke, die in Rom über den Tiber führt. Eine Geste, die verliebte Pärchen in Rom gern aufnahmen. Extrem populär wurde der Brauch durch den Bestseller "Drei Meter über dem Himmel" von Federico Moccia - auch die Verfilmung trug zur Bekanntheit bei.
Nicht immer sind alle begeistert: Die Bahn wollte Seitenschneider einsetzen
Nicht immer und überall sind die Liebesschlösser gern gesehen. In Rom verbot Bürgermeister Walter Veltroni den Brauch 2007 nachdem eine Laterne unter der Last der Schlösser umgeknickte. Auch in Köln schlug dem neuen Trend zum Liebesbeweis per Vorhängeschloss nicht nur Begeisterung entgegen. Die Deutsche Bahn wurde für die Liebesschlösser fast zu dem, was der Grinch für Weihnachten ist. Sie wollte als Eigentümerin der Hohenzollernbrücke eigentlich schon flächendeckend den Seitenschneider zum Einsatz bringen (ein Schlüsseldienst wäre wohl doch zu teuer geworden), da die Schlösser in ihren Augen in die gleiche Kategorie wie "Graffiti oder Scratching" gehörten. Der Protest ob diesem großen Unverständnis für Romantik führte dann aber doch dazu, dass die Schlösser vorerst geduldet werden. Aber, wie die DB betonte, nur solange die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist.
Psychologen kritisieren den Brauch - ebenfalls wenig romantisch - jenseits aller Gedanken zur Verkehrssicherheit. Die Realität zeige nun einmal, dass wir in unserem Leben verschiedene Partner hätten. Beziehungspsychologen sprechen auch von serieller Monogamie. Die durchschnittliche Ehedauer betrug 2007 bei Scheidung knapp 14 Jahre. Doch die Schlösser an der Hohenzollernbrücke trotzen den Zahlen des Statistischen Bundesamts: Der Trend zum Liebesschloss ist ungebrochen. Was vielleicht auch gerade angesichts des Ortes, einer Brücke, tiefenpsychologische Gründe hat. Eine Brücke ist ein Ort des Übergangs. Eine Verbindung von zwei Teilen, zwei Ufern. Auch der Gedanke an Fernbeziehungen liegt von der Symbolik her bei einer Eisenbahnbrücke natürlich nicht allzu fern.
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Selbst die Höhner kamen an den Schlössern nicht vorbei - und schrieben einen Song über sie.
Die Schlösser sind in Köln unsterblich - dank eines Songs von den Höhnern
Eins ist aber sicher: Der neue Brauch fördert die Wirtschaft: Bei der Wahl der Schlösser greifen nämlich die meisten Liebenden bevorzugt beim Angebot eines Familienunternehmens aus dem süd-östlichen Ruhrgebiet zu. Und wer weiß - vielleicht hat ja der eine oder andere, der es sich später anders überlegt hat, schon den Schlüsseldienst beauftragt...
Unsterblich ist der Brauch übrigens jetzt schon, zumindest für Kölner Verhältnisse: Die Karnevalsband Höhner hat im Jahr 2009 mit Schenk mir dein Herz einen Song über die Liebesschlösser vorgelegt.
Kommentare
seit April 2010 hängt dort auch ein Schloss von mir - ich habe diesen Brauch da zum ersten Mal gesehen und dachte bisher, dass er daher kommt - Lesen bildet ja doch!
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