Das Korean Girl über die Rolle der koreanischen Frau
Die Oma ist ein Alphatier!
Von Sun-Mi Jung für R2-Blogger
Foto: © alui0000
Tradition ist immer noch sehr wichtig in Korea. Dazu gehören auch die Wertevorstellungen des Neokonfuzianismus. Und natürlich der Fächertanz auf dem Foto.
Dortmund. Wie stellen Sie sich eigentlich eine typisch koreanische Frau vor? Sanft? Zurückhaltend? Empathisch? Bescheiden? Demütig? Vielleicht sogar unterwürfig? Zumindest sieht das traditionelle, patriarchische Gesellschaftssystem diese Eigenschaften für eine wohl erzogene koreanische Frau vor. Vor allem in der Öffentlichkeit soll sich eine koreanische Frau gemäß ihrer Rolle verhalten. Allerdings lässt das koreanische Patriarchat die meisten Frauen in meiner Familie völlig kalt.
Meine koreanische Familie ist ziemlich groß. So kommen schon mal 70 Verwandte zum Seouler Flughafen, wenn ich zu einem Korea-Aufenthalt an- oder abreise. Ungefähr die Hälfte von ihnen sind Frauen. Frauen jeden Alters. Vom Säugling bis zur 90 Jahre alten Großmutter. Abgesehen von der Tatsache, dass sie alle irgendwie mit mir verwandt sind, weisen sie noch eine weitere gemeinsame Eigenschaft aus. Sie sind alle sehr dominant!
Hausfrau, Mutter, erfolgreiche Reisbäuerin
Fangen wir bei meiner Großmutter väterlicherseits an. Oma hat früh den Opa geheiratet, neun Kinder groß gezogen, einen Elf-Personen-Haushalt geführt und „nebenbei“ den Reisbauernhof der Familie verwaltet. Alle Kinder haben ihren Schulabschluss geschafft, einen anständigen Beruf erlernt und eigene Familien gegründet. Den Bauernhof gibt es heute ebenfalls noch.
Foto: © David McNally, USAG-Yongsan
Auch ein Stück koreanischer Tradition: Ahnenverehrung im Jongmyo-Schrein in Seoul. Diese wird von den männlichen Nachkommen geleitet. Weshalb die Geburt eines Stammhalters auch eine der wichtigsten Aufgaben einer koreanischen Ehefrau ist.
Eine Lebensaufgabe, an der die meisten modernen Frauen heutzutage wahrscheinlich kläglich scheitern würden. Die vielen Herausforderungen, denen sich Oma im Laufe ihres Lebens stellen musste, haben sie zu einer äußerst autoritären Person gemacht. Oder war es vielleicht andersrum? Jedenfalls hat Oma die komplette Familie im Griff: Oma entscheidet, Oma befiehlt, Oma will alles wissen. Oma ist ein großer Tyrann! Es gab Jahre, in denen sie Hausverbot bei allen ihren sechs Schwiegertöchtern hatte. Gleichzeitig! Anders wussten sich die armen unterdrückten Dinger nicht zu helfen… Schwiegertöchter haben in Korea nicht so viel zu sagen.
Kommen wir zur nächsten Generation. Meine Tanten. Diese gibt es in allen Altersstufen. Das ist so, wenn man eine Großfamilie ist. Die beiden Schwestern meiner Mutter zum Beispiel sehen nicht nur genauso aus wie sie. Sie verhalten sich auch alle sehr ähnlich: Meine Tante bestimmt zum Beispiel gern, was und wann ich esse, wo und wann ich schlafe, was ich kaufe, was ich anziehe… Dabei bin ich mittlerweile 37 Jahre alt! Und nicht sieben. Zum Glück sehe ich meine Tante nicht so oft. Meine Tanten und meine Mutter erinnern mich übrigens stark an meine Oma. Sie entscheiden, sie befehlen, sie wollen alles wissen. Sie sind ein großer Tyrann! Dabei sind die Frauen gar nicht miteinander verwandt.
Neokonfuzianismus: Innerhalb der Familie ist die Frau der Boss
Woher kommt eigentlich diese übergroße Dominanz koreanischer Frauen innerhalb der Familie? Angeblich ist wieder der Neokonfuzianismus schuld. Eine öffentliche Rolle hat dieses Gesellschaftssystem, welches bis heute in Korea nachwirkt, für die Frau nicht vorgesehen. Frau sein, das bedeutete immer zu Hause zu sein und auf gar keinen Fall öffentlich aufzutreten. Kein Wunder, dass die koreanische Frau zu einer Art Trotzreaktion neigt und zumindest zu Hause fröhlich das Zepter schwingt. Ich würde das wahrscheinlich auch tun, wenn ich nicht um mich herum viele „fremde“ Menschen hätte, die ich nach Lust und Laune herumkommandieren könnte. Wobei ich meist nicht besonders weit damit komme. Zum Alphatier muss man vielleicht doch geboren sein. So wie meine Oma.
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Kommentare
Was für eine reizende Hommage an die koreanische Frau :-)
Vielen lieben Dank für Deine zauberhafte Beschreibung.
Und Du hast Recht: Es liegt in unseren Genen!!! Korean Girl-Power ;-)
ich habe durch Zufall deinen Blog bei Xing entdeckt, und mich gleich ins Lesen gestürzt. Kurz zu mir, ich war bereist viermal in Korea, zusammen etwa 1,5 Jahre in Seoul gelebt und seit vergangenen März mit einem bezaubernden Tyrannen aus Korea verheiratet :) Ich glaube, die meisten meiner Freunde beneide mich ohne Ende, da wenn sie zu Besuch sind, meine liebe Frau alles tut um es unseren Gästen so schön wie möglich zu machen. Auf einmal wird das Haus geputzt von oben bis unten, die Kochtöpfe werden genutzt usw. ;) Aber wehe der Besuch ist weg und ich habe unangebrachte Kommentare oder Gestiken gemacht, dann ist der Tyrann in vollem Gange :) Am Anfang war das für mich wirklich sehr schwierig zu verstehen, aber ich habe mich natürlich schlau gemacht, duch genau solche Artikel wie deinen hier. Und ich finde meinen kleinen Tyrann nur noch umso liebenswerter. Sie kämpft jeden Tag wie ein Löwin für unsere kleine Familie, aber lässt eben auch ganz gerne den General heraushängen, wenn sie meint ich muss jetzt unbedingt den Müll rausbringen... :) Und ich glaube wirklich das jede koreanische Frau so ist, mit Sicherheit hat der Konfuzionismus eine tragende Rolle, aber das muss euch auch in den Genen liegen ;)
Ich freue mich auf jeden Fall jeden Tag aufs Neue in dieses Abenteuer zu gehen, denn ruhig wird es meiner Liebsten wirklich nie :)
LG, Jan
stimmt! Rauchende Frauen. Auch so ein Thema :-) Es gibt in unserer Großfamilie übrigens nur eine einzige Frau, die in der Öffentlichkeit rauchen darf. Rate mal, wer das ist: Richtig! Meine Oma.
Und das mit den starken Frauen, die ihre Familien zusammenhalten und organisieren, sehe ich übrigens ganz genau so ;-) Je frecher die Frau, desto stärker die Familie.
Viele liebe Grüße aus Dortmund,
Sun-Mi
ich finde die Rolle der koreanischen Frau sehr vielschichtig, aber wie Du auch richtig beschrieben hast, durch die "klassische" Rollenverteilun g eingeengt.
Im Koreanischen heisst es ja nicht umsonst "uri jipsaram" (grob uebersetzt: "unser Hausmensch"), wenn man ueber seine Frau spricht. Das ist nicht unbedingt respektlos gemeint, aber spiegelt doch den Gedanken des Neokonfuzianism us wieder.
Sie ist halt fuer das Haus, die Erziehung der Kinder, Hausaufgaben, Kueche, Waesche, Finanzen usw. zustaendig, kurz fuer alles, was sich im und rund ums Haus abspielt.
In der Oeffentlichkeit hat die Frau die Rolle der braven, gehorsamen und etwas schuechternen Ehefrau zu spielen (ich betone zu spielen!). Draussen ist der Mann derjenige, der die Familie repraesentiert.
Mithilfe im Haushalt kann oder darf sich eine koreanische Frau von ihrem Mann nicht erwarten. Der hatte ja bereits einen anstrengenden Tag im Buero (meisst nicht unter 10 Stunden).
Somit ist die Rollenverteilun g ganz klar geregelt.
Natuerlich hat sich dies im Laufe der Zeit geaendert und es gibt heutzutage junge Paare, die gleichberechtig t leben und arbeiten.
Ach ja, noch eine interessante Sache hatte ich in Korea erlebt zum Thema Rauchen. Es ist immer noch verpoent, dass Frauen in der Oeffentlichkeit rauchen. So haben die Damen aus unserem Buero immer "heimlich" im Flur oder Treppenhaus geraucht, wohingegen die Maenner ganz normal vor dem Buero ihren Geluesten nachgehen konnten.
Auch so ne Sache mit der Rollenverteilun g....
Trotzdem muss man sagen, dass es ohne solch engagierte Hausfrauen und Muetter nicht gehen wuerde! Wer macht den sonst die ganze Arbeit im Hause, wer bringt die Kinder zur Schule, zum Sport, zum Musikunterricht , wer kauft ein, macht die Waesche usw.? Dafuer braucht man Kraft, Energie, Durchsetzungsve rmoegen und auch mal einen Sturkopf.
Denn wie heisst es so schoen? Hinter jedem starken Mann, steht eine noch staerkere Frau!
In diesem Sinne, Danke an die koreanischen Omis, Muetter und Frauen!! Dae dan hi gamsa ham nida!!
LG, Andreas
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