ÖPNV zehn Meter über der Stadt: mit der Schwebebahn Wuppertal erkunden
Schwankend das anderthalbte Stockwerk erleben
Von Peter Joerdell für R2-Horizont
Foto: Mbdortmund
Die Schwebebahn über der so genannten "Wasserstrecke".
Wuppertal. Für 2,10 Euro mit der Preisstufe A ist man dabei, reist zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Wuppertal-Oberbarmen wie dereinst Kaiser Wilhelm zur Eröffnung 1901. Naja fast. Aber das kann man auch, schließlich ist für Sonderfahrten auch der nach seiner Majestät benannte „Kaiser Wagen“ buchbar – übrigens mit recht original getreuer Ausstattung, und man kann sogar am selben Tisch wie Wilhelm II. Platz nehmen.
Wer aber das echte Wuppertal-Flair erleben will, der reist mit einer stinknormalen Schwebebahn auf einem 70er Jahre Fiberglas-Sitz, am Besten noch im traditionellen Orange-Blau lackiert. Für schwache Mägen ist das nicht immer unbedingt was. Schon beim Einsteigen merkt man: Ein bisschen was von „Flieger“ hat das Ganze schon. Eine leichte Bewegung ist fast immer zu spüren, schließlich ist die Bahn oben an Zahnrädern aufgehängt. Ruckelnd geht es los, die Bahn schiebt sich wie ein mechanischer Lindwurm aus dem Bahnhof Wuppertal-Vohwinkel. Sofort ist klar – man lernt das Leben in Wuppertal aus einer anderen Perspektive kennen, kann der Stadt in den Rachen starren, wie ein Dompteur dem Löwen in der Manege.
Foto: Public Domain
50 Pfennig-Jubiläumsbriefmarke der
deutschen Post, 1976.
Es geht über Wasser und über Land
Die Vorhänge in der Wohnung da rechts (sind wir in der Kurve wirklich auf Armeslänge an das Haus rangekommen?) verraten einen Raucher-Haushalt, und dort hinten, der Balkon hinter der Ampel – also die könnten wirklich mal aufräumen. Wer mit der Schwebebahn durch Wuppertal fährt, bereist eine merkwürdige Welt des anderthalbten Stockwerks, rund zehn Meter über dem Straßenniveau. Oder aber auch über der Wupper, denn der Weg, den die Schwebebahn durch Elberfeld und Barmen nimmt, führt sowohl über die so genannte „Wasser-“ als auch über die „Landstrecke“. Dort sieht man sogar Fischreiher, die stoisch in der Wupper stehen und aussehen, als ob sie auf den Bus warten. Oder auf die Schwebebahn. Die beeindruckt sie aber nie sonderlich. Unbeweglich im kiesigen Flussbett stehend, lassen sie das historische Verkehrsmittel, das seit 1997 unter Denkmalschutz steht, passieren. Sie sind daran gewöhnt, wie all die anderen Wuppertaler, die schon gar nicht mehr aufsehen, wenn die wilhelminische ÖPNV-Lösung über ihren Köpfen entlangdonnert.
Foto: Oktaeder
Die Schwebebahn passiert den Bereich Ohligsmühle.
Die Schwebebahn prägt, auch wenn man nicht mit ihr unterwegs ist, das Stadtbild. Ein bisschen gibt sie Wuppertal besonders bei Regen ein düsteres Gepräge, sperrt doch die Schienen- und Tragekonstruktion eine Menge Licht gerade aus den engen Straßenschluchten von Vohwinkel aus (die in der Tat so wirken, als habe man sie bewusst um die Schwebebahn herumgebaut). Wer aber für morbiden Charme und eine Optik aus dystopischen Filmen wie Blade Runner etwas übrig hat, ist in Wuppertal und bei der Schwebebahn genau richtig.
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