Aus dem Nähkästchen einer "verzweifelten Hausfrau"
Das Leben ist ungerecht!
Von "Brenda van Kamp" für R2-Blogger
Foto: © vw polonia, Lizenz
Den Sommerurlaub verbringt die verzweifelte Hausfrau "Brenda van Kamp" an der Ostsee. Schließlich hat sie Familie und ein entsprechend kleines Urlaubsbudget.
Rhein-Ruhr. Wissen Sie, was Dinkies sind? Es ist ganz einfach: Eine zunehmende Gruppe von erwerbstätigen Paaren, die über gute Jobs, ein doppeltes Einkommen (double income) und keine Kinder (no kids) verfügen, die fünfmal im Jahr in den Urlaub fahren, privat versichert sind, beim Arzt immer vor mir und den vom Warten erschöpften Kindern drankommmen und für die die Durchfallerkrankung der Hauskatze eine Katastrophe ist.
Dinkies genießen ihr Leben
Während Menschen wie Sie und ich uns abrackern, am Wochenende müde und frustriert durch Deutschlands Parks und über Spielplätze ziehen, die Ersatzkleidung und Massen an Proviant im dekorativen Rucksack, liegen diese Dinkies noch im Bett, weil sie sicher am Vorabend entweder in der Oper oder auf einer stylishen Party waren.
Sie ernähren sich nicht wie wir jahrelang von Kartoffeln, Reis, Nudeln und Dinkelstangen, sondern pflegen einen vollwertigen, salatlastigen Ernährungsstil mit reichlich Seafood. Na, in diesem Stadium waren wir auch mal, ich kann mich schwach erinnern.
Nun ärgere ich mich über Hausfrauenehe-stabilisierende Praktiken unseres Sozialstaates wie Ehegattensplitting und fehlende Kinderbetreuung, von mangelnder Anerkennung für die unbezahlte und unsichtbare Haus- und Sorgearbeit will ich schon gar nicht reden. Meine ehemals glänzende Karriere als oberste Führungskraft konnte ich in Teilzeit dann irgendwie nicht mehr verwirklichen.
Und ob ich das so gewollt habe...
"Aber du hast das doch so gewollt", höre ich oft, wenn ich mich über die Ungerechtigkeit beklage. Ja, ich wollte Kinder, ja, ich wollte es so. Aber was ich übersehen hatte, war das Kleingedruckte: Dass ich, obwohl ich Jahre meines Lebens hart arbeite, keine Rentenansprüche erwerbe, als gute Mutter nur noch langweilige Teilzeitjobs mit Minieinkommen habe und Einkaufswagen schiebe, in denen sich die Kinder und Nahrungsmittel stapelten und ich inzwischen Leitungwasser trinke, weil ich dann zumindest nicht noch Getränkekisten schleppen muss.
Meine Dinkie- Nachbarn waren in New York und auf den Maledivien - wir fahren seit Jahren an die Ostsee. Weil es in einer unseren Nerven zumutbaren Autofahrt erreichbar ist und als Posten auf der Ausgabenliste noch eben innerhalb des gesetzten Limits. Ist ja auch ganz schön. Weil die Kinder im Sand spielen. Wenn Sie mal absehen von den Streitigkeiten, dem täglichen Aufstehen um 6 Uhr morgens, dem Sonnenbrand, der Pommes- und Eisvergiftung und dem Schreck, wenn täglich mindestens ein Kind in der Nähe des Wassers verloren geht!
Aber ich bin ganz bestimmt nicht neidisch!
Nein, ich bin nicht neidisch. Auch bei meiner kinderlosen Nachbarin setzt der Verfall ein. Ihr vor fünf Jahren noch so straffer Bauch, um den ich sie ehrlich beneidet habe, hat sich aufgrund der ausschweifenden Restaurantbesuche in Port D´ Andratx und St. Moritz zu einem deutlichen Rettungsring ausgeweitet. Die Möbel in ihrem Haus sind nicht von Ikea, sondern von Rolf Benz, aber sie verfügt nicht über ein Teil, mit dem ich die Kinder bei Besuchen mal für nur fünf Minuten ablenken kann.
Auch sein geleaster Mercedes GL und ihr BMW Cabrio stehen genau wie unsere gebrauchten Uralt-Schätzchen offen an derselben Strasse und wurden bei der letzten Aktion des unbekannten Auto-Kratzers mit bedacht.
Mal abgesehen von der Rente, die bei ihr sicher höher ausfällt als bei mir, weil ich ja so viele Jahre NICHT GEARBEITET habe, ist doch eins klar: Auch sie kommt, trotz jahrzentelangem Vollzeitjob und nur einer Katze im Haushalt, nicht in den Vorstand ihres Unternehmens, denn bei der Beteiligung von Frauen an Führungspositionen ist Deutschland immer noch total hinter dem Mond und liegt im weltweiten Vergleich sogar hinter Lesotho. Da sag noch mal einer, das Leben sei gerecht!
"Verzweifelte Hausfrau" im R2-Gebiet
"Brenda van Kamp", Mitte 40 und gut ausgebildet, ist dort, wo viele Großstadt-Singlefrauen noch hin möchten: Ehemann, Kinder, ein gemütliches Zuhause. Und eigentlich glücklich. Wären da nicht die Tage, an denen sie alles in Frage stellt und über ein alternatives Leben nachdenkt. Die "verzweifelten Tage", an denen ihr bewusst wird, wie trügerisch Sicherheit sein kann. Wie sich das anfühlt, schreibt die "Verzweifelte Hausfrau" unter ihrem Pseudonym "Brenda van Kamp" auf.