Von einer, die auszog, Kleidung zu nähen
Aus dem Tagebuch eines begeisterten Roleplay Girls
Von Gloria Manderfeld für R2-Blogger
Foto: © Alf van Beem, gemeinfrei
Ein echtes Roleplay Girl braucht natürlich eine gute Ausstattung. Weshalb sich Gloria Manderfeld in regelmäßigen Abständen an eine Nähmaschine setzt.Bayern. Der Sommer kommt. Unweigerlich. Unaufhaltsam. In spätestens fünf Monaten ist für alle Live-Rollenspieler Großkampfzeit. Die meisten LARP-Conventions finden nach wie vor im Sommer statt, was die lästigen Mehrkosten für eine Unterbringung im Haus durch fröhliches Zelten ersetzt. Es wird erst dann kompliziert, wenn man wie ich einige Jahre nicht wirklich aktiv spielen konnte, die Ausrüstung entweder im Eimer ist oder beim Exfreund herumliegt und die bange Frage im Raum steht, ob dieses Jahr eine Mehr-Tages-Convention drin ist oder nicht.
Ich muss zwei Ausrüstungen nähen!
Für mich heißt das im Fall aller Fälle für zwei Leute (meinen Partner und mich) eine komplette Ausrüstung für zwei neue Charaktere zu entwerfen. Stoff kaufen, Schnittmuster basteln, nähen. Ach ja, ein Zelt zu kaufen wäre auch noch eine gute Idee. Freiluft-LARP-Veranstaltungen sind zwar nett, aber spätestens bei nächtlichem Regen ist ein Dach über dem Kopf doch recht angenehm. Selbst wenn es nur aus Zeltstoff besteht. Natürlich soll es auch „spieltauglich“ sein. Also fallen bunte Nylon-Zelte trotz ihrer niedrigen Preise grundsätzlich heraus. Niemand möchte als stolzer Ritter oder weiser Magier in einem knallpinken Iglu irgendwo ganz am Rande des Zeltplatzes nächtigen. Dorthin werden nämlich die sogenannten „nicht ambientetauglichen“ Zelte schnell verbannt. Längere Laufwege zu Sanitäreinrichtungen und dem Geschehen inklusive.
Im Spiel befindliche Charaktere kann man in ein solches, eindeutig als modern zu erkennendes Zelt nicht einmal auf einen Becher Met einladen, ohne mitleidig-spöttische Blicke zu ernten. Also wird es auf ein „Sahara“-Zelt hinauslaufen, einem guten und bezahlbaren Kompromiss zwischen Ambientetauglichkeit, Aufbaubarkeit (es reichen zwei Personen) und Platzbedarf im Kofferraum. Denn jedes Fitzelchen Platz wird gebraucht, um das sonstige Zubehör wie Kisten, Lampen, Teppiche, Feldbetten, Schaffelle und Ähnliches unterzubringen. Ein Saharazelt, das sich auf Unterarmdicke und –länge zusammenfalten lässt, wurde bislang leider nicht erfunden, wäre aber bestimmt der totale Verkaufsschlager unter LARPern.
Eigentlich ist es eine gute Situation, nochmal ganz von vorn beginnen zu müssen, denn jetzt kann ich endlich mal richtig planen. Bislang unterlag meine LARP-Garderobe eher den sich bietenden Notwendigkeiten. Meinen Magiercharakter habe ich das erste Mal auf einer Con an Silvester gespielt – also trug ich eine dicke Wollrobe und warme Alltagskleidung. Bei 40 Grad im Schatten macht das Ganze dann nicht mehr so viel Spaß, und alles nur, weil ich schlichtweg vergessen hatte, auch luftigere Sachen zu nähen. Wenn man das Thema Kleidung nach der ersten Nährunde geistig abgehakt hat, rächt sich das bei veränderten Witterungsbedingungen. Zumindest habe ich nachts beim Sitzen am Lagerfeuer nicht gefroren. Was die Tage angeht…, vergessen wir das.
Die Erfahrung hat mir also gezeigt, dass ich sowohl eine Winter- als auch eine Sommergarderobe für jeden Charakter einplanen muss. Idealerweise mit Hosen auch für mich, denn in Röcken mal in den Dreck zu fallen oder auf dem Schlachtfeld herumzukugeln muss nicht unbedingt sein. Wer in Hosen in einer Schlammpfütze ausrutscht, muss nur eine neue Hose anziehen. Im Rock heißt das, schnell ab unter die Dusche und die dreckigen Beine säubern. Auf Cons, wo man spätestens ab morgens neun Uhr kein heißes Wasser mehr bekommt, weil irgendwelche Duschhelden unter der Brause gecampt haben, absolut kein Vergnügen.
Also, zwei Umhänge sind schon mal notiert. Aus einem schönen, dicken Stoff und bitte nicht zu hell! Ich habe einmal bei einem LARP-Con einen abendlichen Orküberfall erlebt, bei dem die Orks es tatsächlich geschafft haben, das Lager einzunehmen. Wer dann bekleidet mit einem weißen Umhang oder Wappenrock versucht, sich im Dunklen anzuschleichen, muss schon eine mondlose Nacht erwischen, um Erfolg zu haben. Mein Wappenrock hing bei diesem Con schnell über einem Busch, der Gambeson war glücklicherweise dunkel genug, um mich in den Schatten verschwinden zu lassen. Natürlich haben wir unser Lager am Ende zurückerobert und konnten in unseren eigenen Feldbetten schlafen, aber die vorwiegend weiße Kleidung meiner damaligen Spielergruppe hatte sich nicht bewährt.
Wie haben das nur die Menschen im Mittelalter alles geschafft?
Dazu kommt, dass mein Partner einen Alchemisten und ich eine Heiler-Magierin verkörpern möchten, was Kleidungsideen mit sehr weiten Ärmeln den Todesstoß versetzt. Weder beim Hantieren mit farbigen Flüssigkeiten als ungefährlichem Ersatz für alchemistische Zutaten, noch beim Feldeinsatz sind Ärmel, mit denen man Kleinkram im Handumdrehen vom Tisch wischt oder an Rüstungsteilen hängenbleibt, eine gute Sache. Also, eng anliegende Ärmel für das Untergewand. Weite Ärmel wie bei einer mittelalterlichen Houppelande erst ab dem Ellenbogen.
Zu lang darf das Untergewand natürlich ebenso nicht sein, damit man schnell aufstehen kann, wenn man irgendwo gekniet hat – gerade als Heiler kniet man ziemlich oft. Beim Aufstehen gleich wieder auf dem Boden zu landen, weil man über einen zu langen Robensaum oder ein Wappenrockende geflogen ist, ist auf Dauer der Reputation des Charakters nicht gerade zuträglich. Außer natürlich, man möchte als „die Heilerin, die dauernd über ihre eigenen Klamotten stolpert“ im Gedächtnis anderer Spieler bleiben. Sowas passiert erschreckend schnell…
Wenn ich die Liste der Einschränkungen und Notwendigkeiten so ansehe, wundere ich mich immer wieder, wie es die Leute im Mittelalter geschafft haben, sich fürs tägliche Leben und die Arbeit adäquat zu kleiden und dabei noch die Bekleidungsvorschriften ihrer jeweiligen Lebensumgebung zu beachten. Heutzutage kämpfe ich vor allem darum, bei den Stoffhändlern im Internet genau die Materialien zu finden, die ich benutzen möchte. Von Kleidungsverzierung wie Borten, Knöpfen und Ähnlichem ganz zu schweigen. Ein Trüffelschwein auf der Suche nach seltenen Genüssen ist gegen mich eine ganz arme Sau, so effizient stöbere ich inzwischen durch die vielen Shops und eBay-Händlerangebote.
Und irgendwann werde ich ganz sicher eine traumhafte Garderobe fertig haben, die zu jeder Witterungslage, jeder Gefahrensituation und jedem Charakter einfach nur perfekt passt, andere vor Neid wegen der tollen Näharbeiten in Tränen ausbrechen lässt und komplett von oben bis unten mit schicken Bildern handbestickt ist. Also in etwa dreißig Jahren.
Zur Autorin:
Gloria H. Manderfeld (Foto) ist begeisterte Rollenspielerin und Gamerin. Sie berichtet an dieser Stelle als R2-Roleplay Girl von ihren liebsten Hobbies. Im wirklichen Leben ist Gloria Manderfeld freiberufliche Illustratorin und wohnt im schönen bayerischen Wald - aber die Sehnsucht nach dem Ruhrgebiet ist ungebrochen.
Mehr zu Gloria H. Manderfeld unter: www.ghm-illustrations.de |