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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind

Eine Femme Fatale im R2-Gebiet

Tiphaine Bernicot für R2-Blogger

Foto: © Xiduos, Lizenz

Kleine Kinder sind süß. Und manchmal ganz schöne Nervensägen. Aber französische Mütter haben ihre Kinder immer im Griff. Sagt die Femme Fatale Tiphaine Bernicot.

Dortmund/Paris. Ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass meine Eltern, als ich elf wurde und auf die weiterführende Schule kam, vor der Wahl standen, welche Fremdsprache ich als erste erlernen sollte: Deutsch oder Englisch. Sie entschieden sich zum Glück für Deutsch.

Fremde Sprachen

Gestern habe ich mit meiner besten Freundin in Frankreich telefoniert. Nicht lange, naja, lange genug um über ihren Mann, ihren Job, ihre Eltern, ihren Haushalt und ihre Kinder zu sprechen. Also doch relativ lange… Sie ist Mutter von drei Kindern und genauso wie meine Eltern stand sie vor der Wahl: Deutsch oder Englisch? Nur, dass ihre Kinder nicht elf sind, sondern gerade mal sechs. Die Zwillinge werden im September eingeschult und es hat sich anscheinend in Frankreich doch was getan in Sache Fremdsprachen lernen und so muss ihre Mutter (und natürlich ihr Vater auch…) eine Entscheidung treffen. Sie hat sich erst einmal für Deutsch entschieden. Kluge Entscheidung, aber sie ist meine beste Freundin, mich wundert´s nicht, dass sie so klug handelt…

Eine Fremdsprache ist ein Gut, das man im Laufe der Jahre erwirbt, manche können es gut und schnell, andere weniger gut und langsamer… Es hängt von so vielen Faktoren ab: Schule, Lehrer, Mitschüler, Lernmethode, soziale Schicht, Motivation. Aber wie bei vielen Sachen denke ich: Wenn man es richtig beherrschen will, hängt es davon ab, ob man dafür geschaffen oder nicht. Ob man dafür geboren ist. Was ist angeboren? Was kann man anerziehen? Zu wieviel Prozent sind meine Kinder Deutsch und zu wieviel Französisch? Welche französischen Eigenschaften haben meine Kinder und wie Deutsch sind sie?

Mein Kleiner trägt Sandalen und weiße Socken

Diese Frage stellte ich mir heute Morgen, als mein jüngstes Kind, nachdem es sich für seine Sandalen entschieden hatte (Ja, endlich sind die Temperaturen so gestiegen, dass ich es gewagt habe, die Winterjacken zu waschen und wegzuräumen… Und den Kindern Sandalen gekauft habe. Zu gewagt…? Man wird sehen.), zusätzlich zu weißen Sportsocken griff. Hilfe!! Was habe ich den falsch gemacht? Jahrelanges Stöbern auf französischen Kindermodeseiten im Internet, Unmengen an Versandkosten, endlose Telefonate mit meinen französischen Connections, um herauszufinden, was Kind so in Frankreich trägt. Und dann so was: Sandalen mit weißen Sportsocken… Mit gerade einmal vier Jahren! Aber macht so eine Kleinigkeit aus meinem Kind ein deutsches Kind?

Vor einiger Zeit hat mir eine Bekannte ein Buch empfohlen: „Warum französische Kinder keine Nervensäge sind“, geschrieben von einer in Paris lebenden Amerikanerin. Voller Hoffnung auf Bestätigung las ich das Buch. Dort (Oder zumindest in der ersten Hälfte des Buches. Weiter habe ich es nicht geschafft, da mir nach der Hälfte klar war, dass ich hier keine Bestätigung meiner mütterlichen Fähigkeiten erhalten würde.) spricht die Autorin ständig von dem „cadre“, dem „Rahmen“, in dem Kinder sich „bewegen“ sollen. Und dass sie das Warten sehr früh lernen: „Attends…“, also „warte…“, ist das Zauberwort der französischen Erziehung. Und dies natürlich mit einer angenehmen und sanften Stimme. Sie erzählt auch, dass vieles von den Eltern als „indiscutable“ bezeichnet wird, als „nicht verhandelbar“.

Meine Kinder kann man definitiv nicht als französische Kinder bezeichnen: Sie haben nicht mit drei Monaten durchgeschlafen, sie bleiben bei keinem dreistündigen Mittagsmahl still und unbefleckt am Tisch, sie warten nicht geduldig, bis ich mit meinem Telefonat fertig bin, Grenzen werden grundsätzlich nicht ohne Diskussion akzeptiert, wenn sie überhaupt akzeptiert werden… Und es liegt ganz bestimmt an meiner „deutschen“ Erziehung und Lebensstil. Da ich nicht schnell nach der Geburt wieder arbeiten musste, habe ich nicht sonderlich viel Wert drauf gelegt, dass sie so schnell wie möglich durchschlafen. Hier in Deutschland gibt es auch keine dreistündigen Mittagsmahlzeiten. Wenn meine Kinder anfangen, mit mir über aufgestellte Regeln zu diskutieren, bin ich zwar sehr schnell genervt und neige dazu, sagen zu wollen: „Weil es so ist und BASTA!!“ und dies in keinem ruhigen und sanften Ton.

Was ist angeboren?

Aber irgendwie freut es mich, dass sie in der Lage sind, ihre Meinungen und Wünsche zu vertreten, dass sie sich zu eigenständigen und starken Persönlichkeiten entwickeln. (Natürlich würde ich es noch besser finden, sie würden sich öfter den Papa als Gegner aussuchen würden...) Meine Kinder besuchen eine ganz normale Grundschule, aber es gibt hier auch viele andere Formen, wie zum Beispiel die Waldorfschulen, wo die Kinder von Schulbeginn an zu freien Denker „erzogen“ werden. In Frankreich gibt es keine 20 Waldorfgrundschulen, in Deutschland sind es weit über 200…

Aber was ist dann angeboren? Was ist Deutsch und was ist Französisch? Oder sollten wir die Frage anders stellen, da eigentlich (und das vergesse ich immer wieder…) weder in meinen noch in den Adern meiner Kinder französisches Blut fließt, sondern koreanisches. Als Kind, und das machen meine Kinder auch und ich eigentlich immer noch, habe ich mich oft hingehockt, mit den Fersen am Boden und konnte so stundenlang spielen.

Es wurde mir gesagt, dass viele Asiaten das ebenfalls so machen! (Aber vielleicht liegt es auch daran, dass in Frankreich viele öffentliche Toiletten Hocktoiletten sind… Wer das schon mal gesehen hat, weiß, was ich meine…). Ein Atavismus. Hat meine Mutter immer gesagt. (Wikipedia: Atavismus = „das Wiederauftreten von anatomischen Merkmalen bei einem Lebewesen, die bei den entfernteren evolutionären Vorfahren ausgebildet waren“)

Vor einigen Jahren habe ich Kimtchi entdeckt, ein typisch koreanisches Essen, seitdem frage ich mich, wie ich 30 Jahren meines Lebens ohne verbringen konnte (Übrigens macht die Mutter des Korean Girl das beste Kimtchi, das ich je gegessen habe…). Wenn ich längere Zeit ohne bin, bekomme ich Entzugserscheinungen und muss mir was besorgen, auch wenn ich dafür einige Kilometer fahren muss!! Und mein Ältester isst es auch gerne!!

Meine Kinder sind die liebsten Nervensägen

Diese Frage, was anerzogen ist und angeboren ist, werde ich bei mir wahrscheinlich nie beantworten können, da ich meine leiblichen Eltern nicht kenne. Aber ich kann sagen, dass bei meinen Kindern von der französischen Erziehung, von der ich selbst profitieren durfte, nichts hängen geblieben ist: Sie sind nämlich die liebenswerten Nervensägen, die ich kenne!

 

 Zur Autorin:

 

Aus Paris ins zauberhafte Ruhrgebiet

 

Tiphaine Bernicot (Foto) ist Französin mit asiatischen Wurzeln. Die es allerdings bereits vor etlichen Jahren nach Deutschland, genauer gesagt in R2-Gebiet, verschlagen hat. Hier lebt die junge Frau mit ihrem deutschen Ehemann und ihren Kindern und berichtet als die neue R2-Kolumnistin über ihr Leben als „Femme Fatale". Und zeigt uns die Unterschiede zwischen deutscher und französischer Lebensart, zwischen Paris und Dortmund, zwischen Labello und Lippenstift.

Ihren Blog "Tiphis Sticheleien" finden Sie hier: www.tiphisticheleien.com.

 

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